Grüner Industrieplan für Europa

Mit einem koordinierten Ansatz aus gezielten Investitionen und einem günstigen Regelungsumfeld will die Europäische Kommission (KOM) die Industrie beim Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. Dazu hat sie am 1. Februar 2023 einen „grünen Industrieplan“ veröffentlicht, in dem konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft vorgestellt werden.

Der „Green Deal Industrial Plan“ basiert auf vier Säulen. Bei diesen handelt es sich um günstigere Zugangsmöglichkeiten zu Finanzmitteln, ein besseres Regelungsumfeld für eine CO2-neutrale Industrie, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Arbeitskräfte sowie Initiativen im Handelsbereich. Das Maßnahmenpaket, das noch keine konkreten Vorschläge für Gesetzesinitiativen enthält, ist als Diskussionsgrundlage für die informelle Ratstagung der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs am 9./10. März 2023 gedacht. Es soll dort als mögliche Reaktion der EU auf den amerikanischen „Inflation Reduction Act“ beraten werden, mit dem die USA über massive staatliche Fördermaßnahmen und teilweise protektionistische Klauseln die dortige Wirtschaft begünstigen wollen.

Wichtigste Säule des „grünen Industrieplans“ sind die Vorschläge zur Erhöhung von Investitionen und zur Finanzierung der Produktion sauberer Technologien in der EU. Dabei geht es um eine befristete Lockerung des Beihilferahmens, der es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, eigene Finanzmittel einzusetzen, sowie um die Nutzung von verbleibenden EU-Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in Höhe von ca. 270 Mrd. Euro. Im Rahmen der Beihilfepolitik schlägt die KOM konkret vor, den als Reaktion auf den Ukrainekrieg geschaffenen Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zu einem bis Ende 2025 befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung und zur Gestaltung des Wandels weiterzuentwickeln. Im Zentrum stehen dabei Erleichterungen beim Ausbau erneuerbarer Energien und Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Industrie, wie beispielsweise der Chemie-, Automobil- und Stahlbranche. Geplant ist, folgende neue Erleichterungen im Beihilferecht vorzusehen:

  1. den Ausbau aller erneuerbaren Energiequellen zu unterstützen,
  2. die Förderung weniger ausgereifter Technologien, wie etwa erneuerbaren Wasserstoff, auch ohne Ausschreibung zu gewähren und
  3. Anreize für Investitionen, die zu einer erheblichen Verringerung der Emissionen führen, durch eine Anhebung der Beihilfeobergrenzen und die Vereinfachung der Beihilfeberechnung zu schaffen.

Zum anderen will die KOM die Nutzung bestehender EU-Fonds zur Finanzierung von sauberen Technologien erleichtern. So will sie prüfen, wie es gelingen kann, REPowerEU, die europäische Initiative zur raschen Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland, InvestEU, das EU-Programm zur wirtschaftlichen und sozialen Erholung nach der Corona-Krise, und den Innovationsfonds zur Neuausrichtung der Wirtschaft einzusetzen. Im Zusammenhang mit REPowerEU hat die Kommission neue Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu Konjunktur- und Resilienzplänen angenommen, in denen das Verfahren zur Änderung bestehender nationaler Resilienzpläne und die Modalitäten für die Erstellung der verpflichtenden REPowerEU-Kapitel erläutert werden. Mittelfristig beabsichtigt die Kommission, eine strukturelle Antwort auf den Investitionsbedarf zu geben, indem sie im Rahmen der Überprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens vor dem Sommer 2023 einen Europäischen Souveränitätsfonds vorschlägt.

Zur Vereinfachung des Rechtsrahmens will die KOM zeitnah ein „Netto-Null-Industrie-Gesetz“ vorschlagen. Darin sollen konkrete Ziele für die Transformation der Industrie und entsprechende Maßnahmen zu derer Umsetzung festgelegt werden, um die neuen Technologien im gesamten Binnenmarkt zu fördern. Hier denkt die KOM an vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren, die Förderung europäischer strategischer Projekte und die Entwicklung von Normen.

Die dritte Komponente des „grünen Industrieplans“ zielt auf die Anpassung des Bildungsangebotes ab. Unter dem Namen „Net-Zero-Industrie-Akademien“ schlägt die KOM Programme zur Qualifizierung und Umschulung in den strategischen Branchen vor, um die Menschen für den grünen Übergang zu qualifizieren. Darüber hinaus soll der Zugang von Drittstaatsangehörigen zu europäischen Arbeitsmärkten in betroffenen Sektoren erleichtert werden.

In Bezug auf den internationalen Handel unterstreicht die KOM in ihrer Mitteilung die Bedeutung eines fairen Wettbewerbs. Dazu plant sie, die Freihandelsabkommen auf die Unterstützung des grünen Übergangs auszurichten, die Gründung eines Clubs für kritische Rohstoffe und die Gründung von Industriepartnerschaften für saubere Technologien. Bei unfairen Handelspraktiken im Bereich der sauberen Technologien will die KOM die europäische Industrie schützen und beispielsweise die neue Verordnung zur Bekämpfung ausländischer Subventionen einsetzen, um sicherzustellen, dass ausländische Subventionen den Wettbewerb im Bereich der sauberen Technologien nicht verzerren. (UV)