In dem Fall «Verein KlimaSeniorinnen Schweiz u.a. gegen die Schweiz» entschied die Große Kammer des EGMR, dass die Schweiz die Menschenrechte der klagenden Frauen verletzt hat, indem sie bislang nicht ausreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel und dessen Auswirkungen ergriff. Geklagt haben vier Seniorinnen und der Verein KlimaSeniorinnen Schweiz, dessen Mitglieder allesamt Frauen sind, die sich um die Auswirkungen der globalen Erwärmung sorgen.
Der EGMR ließ nur die Klage des Vereins zu und erkannte somit erstmals eine Verbandsklage an. Den Richterinnen und Richtern zufolge gehe der Klimaschutz alle an und Verbände könnten dieses gemeinsame Anliegen der Menschheit wirksam vertreten.
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kennt kein Recht auf eine gesunde Umwelt als solches. Das Recht auf Privat- und Familienleben aus Artikel 8 EMRK umfasse jedoch ein Recht auf wirksamen Schutz durch den Staat vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität. Die Schweiz habe nicht rechtzeitig und in geeigneter Weise gehandelt, um einschlägige Rechtsvorschriften und Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen des Klimawandels vorzunehmen. Insbesondere habe die Schweiz es unterlassen, nationale Begrenzungen für Treibhausgase beispielsweise durch ein CO2-Budget festzusetzen. Außerdem hat die Schweiz ihre Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit nicht erreicht. Darüber hinaus stellte der Gerichtshof eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren aus Artikel 6 EMRK fest. Die schweizerischen Gerichte erklärten die Klagen der KlimaSeniorinnen für unzulässig und beschäftigten sich in der Folge nicht mit den zwingenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel.
In zwei parallel verkündeten Entscheidungen wurden Klimaklagen aus formalen Gründen abgelehnt.
Das Urteil bindet nur die Schweiz, jedoch dient es als Präzedenzfall für weitere Klimaklagen sowohl vor dem EGMR als auch vor den nationalen Gerichten.
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