Der Beginn der Beratungen des Rates zur aktuellen Marktlage fand in Anwesenheit des ukrainischen Ministers für Agrarpolitik und Ernährung, Witalij Kowal, statt. Er hat eingangs versucht, kursierende Einschätzung über den ukrainischen Agrarsektor zu entkräften. Die Ukraine bestehe nicht nur aus landwirtschaftlichen Großbetrieben, dazu zählten nur 23 Prozent. Man kenne zwar die Sorgen der Partner in Bezug auf den Druck auf die Märkte, wünsche sich aber einen Paradigmenwechsel. Man wolle nicht nur als großes Exportland, sondern auch als verlässlicher Partner angesehen werden. Auch die Abhängigkeit der Ukraine von der EU sei gestiegen. In Bezug auf die Marktlage hat der Rat anerkannt, dass die Agrarlebensmittelmärkte der EU gewisse positive Anzeichen für eine teilweise Rückkehr zur Stabilität aufweisen. So sei die Nachfrage nach Agrarlebensmitteln in den meisten Sektoren gestiegen, die Düngemittelkosten gesunken und die Inflation bei Lebensmitteln zurückgegangen. Auf der anderen Seite wurden aktuelle Herausforderungen wie die Auswirkungen des Klimawandels und die Ausbreitung von Tierseuchen – Blauzungenvirus und Vogelgrippe – und Pflanzenkrankheiten genannt. Mehrere Mitgliedstaaten haben auch zusätzliche Anstrengungen beim Risiko- und Krisenmanagement eingefordert.
Als Reaktion auf die Forderung zahlreicher Mitgliedstaaten, die „n+3-Regel“, wonach Fördermittel drei Jahre nach der Bewilligung verausgabt sein müssen, für die Mittel zur Entwicklung des ländlichen Raums in den strategischen Plänen zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für den Zeitraum 2023-2027 zu übernehmen, hat Agrarkommissar Wojciechowski grundsätzliche Bedenken angemeldet. Er wies darauf hin, dass die geltende „n+2“-Regel für die neue GAP vom Europäischen Rat im Zusammenhang mit der Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen beschlossen wurde. Die Regelung sei Teil eines Gesamtkompromisses und nicht einfach zu verändern. Außerdem garantiere die „n+2“-Regel eine rasche Umsetzung der strategischen Pläne der GAP und sei damit zum Nutzen der Förderempfänger.
Gemeinsam mit seinem dänischen Amtskollegen Jacob Jensen hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gefordert, dass die neue Europäische Kommission (KOM) zeitnah eine Proteinstrategie vorlegen solle, um die europäische Produktion von Eiweißpflanzen zu fördern. Die Bundesregierung verfolgt damit das Ziel, die Abhängigkeit von Drittstaaten durch heimische Futterpflanzen zu reduzieren. Eine eigene europäische Proteinstrategie hatte die KOM eigentlich für die vergangene Amtszeit angekündigt, aber nie vorgelegt. Tschechien, Irland, Estland und Luxemburg unterstützten die Initiative formell. Einige Länder nahmen dagegen Anstoß daran, dass sich das von Özdemir und Jensen vorgelegte Papier auch für eine bessere Förderung pflanzenbasierter oder alternativer Proteinquellen ausspricht. So mahnte der italienische Agrarminister Francesco Lollobrigida (Partei Brüder Italiens) an, dass es sich dabei nicht um Laborfleisch handeln dürfe. Agrarkommissar Wojciechowski begrüßte die Initiative. Das Thema müsse umfassend mit allen Beteiligten und unter Berücksichtigung aller Handlungsoptionen geprüft werden. Die KOM habe eine Untersuchung beauftragt. Die neue Europäische Kommission werde das Thema in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit aufgreifen. (UV)