| Studie

AKW in Frankreich nicht ausreichend sicher für Laufzeitverlängerung

Frankreich beabsichtigt eine Laufzeitverlängerung für die 32 Atomreaktoren der CP-Serie (900 MW). Insgesamt betreibt Frankreich derzeit 58 Reaktoren. In seiner am
19. Februar 2020 veröffentlichten Studie zu Anforderungen an die Erhöhung des Sicherheitsniveaus alter französischer Atomkraftwerke (AKW) äußert der Autor Prof. Manfred Mertins – unabhängig von der Frage einer Laufzeitverlängerung – Zweifel, dass ein Betrieb der AKW der 900er-Reihe in Frankreich sicher sei. Die Studie beruht auf den Sicherheitsstandards der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA), der daraus abgeleiteten europäischen Anforderungen (EU-Sicherheitsdirektive und WENRA) und Anforderungen der Nachbarländer Frankreichs. Das Risiko eines Kernschmelzunfalls sieht Mertins auch für andere EU-Mitgliedstaaten und kommt daher zu dem Schluss, dass es einer europäischen Aufsichtsbehörde bedürfe, die einheitliche Sicherheitsanforderungen in den europäischen Atomkraftwerken kontrolliert und durchsetzt.

Die Anlagen in Frankreich seien bei der Konstruktion auf 40 Jahre angelegt worden. Das Material sei dann ausgelastet und die Sicherheit der nicht austauschbaren Komponenten nicht mehr gewährleistet. Viele heutige Anforderungen (z.B. durch den Klimawandel verstärkt auftretende Trockenheit, Sturm oder Starkregen) seien bei der Konstruktion damals nicht berücksichtigt worden, so Mertin. Aus Erfahrung vergangener Reaktorunfälle seien außerdem die Anforderungen aufgrund von Naturkatastrophen (z.B. Erdbeben oder Überflutung) erhöht worden, was in den alten Anlagen nicht berücksichtigt sei. Das französische Sicherheitskonzept mindere lediglich die Folgen eines Kernschmelzunfalls, versäume jedoch die erforderliche Prävention einer Kernschmelze in Folge eines Reaktorunfalls. Aus Mertins Sicht verbiete sich eine Laufzeitverlängerung auch deshalb, weil dadurch auf die Reserven in der Konstruktion zurückgegriffen werden müsse, die jedoch für wissenschaftlich nicht abschließend vorhersehbare Unwägbarkeiten von den Ingenieuren eingebaut worden seien.

Die rheinland-pfälzische Europaabgeordnete Jutta Paulus (Grüne/EFA) äußerte ihre Besorgnis, dass künftig nicht nur menschliches Versagen wie in Tschernobyl oder Naturkatastrophen wie in Fukushima, sondern auch Materialermüdung zu Reaktorunfällen führen könne. Beim Reaktorunfall in Fukushima 2011 sei der Ostwind ein glücklicher Umstand für Japan gewesen – sonst wäre Tokio noch heute unbewohnbar. Paulus forderte daher für jedes AKW in Europa nicht nur eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeit. Unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments müsse der EURATOM-Vertrag dahingehend überarbeitet werden, dass europaweit einheitliche Vorgaben mit Nachrüstpflichten für eine Laufzeitverlängerung festgeschrieben werden. Diese sollten für die Bürgerinnen und Bürger des Landes und der Nachbarstaaten einforderbar sein. An die EU-Mitgliedstaaten, die überlegen, den Ausstieg aus Kohle und fossilem Gas durch Atomenergie zu erreichen, wandte sich Paulus mit Hinweis auf die Kosten der Atomenergie. Nicht nur sei dies bereits heute die teuerste Art der Energieerzeugung, der Bau neuer Kraftwerke dauere zum Erreichen der Klimaschutzziele auch zu lange. (TS)

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