| Konstituierung neue Kommission

Anhörungsverfahren vor dem EP

Die Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder durch die Ausschüsse des Europäischen Parlaments sind ein notwendiger Schritt, damit das Parlament seine Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung des vorgeschlagenen Kollegiums sachkundig treffen kann. Jedes designierte Kommissionsmitglied stellt sich nach Beantwortung eines Fragebogens und der Vorlage seiner Interessenerklärung einer Einzelanhörung vor einem oder mehreren Ausschüssen des Parlaments.

Bei Anhörungen in der Vergangenheit wurde hauptsächlich kritisiert, dass es einigen Kandidaten an Fachwissen über ihren Geschäftsbereich mangelte, dass sie nur vage Antworten gaben und kaum zu Zusagen bereit waren. Auch gab es Fälle, in denen mögliche Interessenkonflikte im Zusammenhang mit dem zugewiesenen Geschäftsbereich und Bedenken gegenüber der Integrität des Kandidaten bestanden. Seit der Amtseinführung 2004 hat das Parlament seine Rolle bei der Ernennung der Kommission genutzt, um auf die Ersetzung bestimmter kontroverser Kandidaten zu dringen und Anpassungen bei bestimmten Geschäftsbereichen durchzusetzen, obwohl es das Kollegium nur als Ganzes ablehnen oder billigen kann.

Viele begrüßen die gesteigerte Rechenschaftspflicht der Kommission gegenüber dem EP und sehen die sich vertiefende politische Verbindung zwischen den beiden als einen Schritt zu weiterer Demokratisierung der Entscheidungsprozesse in der EU. Die Anhörungen sind zu einem entscheidenden Bestandteil der Kontrolle der Kommission durch das Parlament geworden. Ursprünglich wurden die Mitglieder der Kommission durch einen einvernehmlichen Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten für eine verlängerbare Amtszeit von vier Jahren ernannt (Artikel 158 EWGV). Die Kommission bestand aus neun Mitgliedern: Die kleinen Mitgliedstaaten ernannten ein, die großen Mitgliedstaaten (Frankreich, Deutschland und Italien) zwei Kommissionsmitglieder. Die Gründungsverträge sahen keine Beteiligung des Europäischen Parlaments an dem Verfahren zur Ernennung der Kommission vor.

Sobald die Kommission im Amt war, konnte das Parlament dem gesamten Kollegium sein Misstrauen aussprechen. Erst 1993 erhielt das Parlament mit dem Vertrag von Maastricht eine Funktion bei der Ernennung der Kommission. Mit dem Vertrag wurden die Amtszeiten (fünf Jahre) des Parlaments und der Kommission aneinander angepasst.

Die erste Kommission, die sich Anhörungen stellen musste, war die Kommission Santer im Jahr 1995; allerdings stimmte Präsident Jacques Santer dem neuen Verfahren erst zu, nachdem der Parlamentspräsident ihm zugesichert hatte, dass es keine Abstimmung des Parlaments über einzelne designierte Kommissionsmitglieder geben würde. Als Muster für die „Bestätigungsanhörung“ dienten diejenigen des US-Kongresses.

Die wachsende Zahl der Kommissionsmitglieder (von neun auf 28), die durch die aufeinanderfolgenden Erweiterungen der EU und die Entscheidung, an „einem Kommissionsmitglied pro Mitgliedstaat“ festzuhalten, bedingt war, hat zu Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit der Kommission geführt, als Kollegium zu handeln und Beschlüsse zu fassen, die Koordinierung zwischen den Kommissionsmitgliedern sicherzustellen und Kompetenzüberschneidungen und Unzulänglichkeiten zu vermeiden.

Nach einer Überprüfung dieses Beschlusses auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2019 wird die Kommission, die im November 2019 ihr Amt antritt, wieder aus einem Kommissionsmitglied pro Mitgliedstaat bestehen.

Die Zusammensetzung der Kommission spiegelt daher in der Regel nicht das politische Gleichgewicht im Europäischen Parlament, sondern eher das der nationalen Regierungen wider, wobei die europaweite Parteipolitik bei der Auswahl der einzelnen designierten Kommissionsmitglieder eine untergeordnete Rolle spielt. (CD)

Link zu den kommenden Anhörungen mit Tagesordnung: http://www.europarl.europa.eu/news/en/headlines/eu-affairs/20190912STO60948/schedule-commissioner-candidate-hearings-in-parliament

Teilen

Zurück