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Arzneimittelknappheit in der EU

Auf verschiedenen Veranstaltungen in Brüssel (u.a. der Bundesärztekammer) sprachen in der vierten Januarwoche MdEP Dr. Peter Liese, Agnes Mathieu-Mendes von der Kommission (DG SANTE) sowie Ärzte, Apotheker und Stakeholder über Engpässe bei der Versorgung der Patienten mit Medikamenten in mehreren Mitgliedstaaten. Der Apothekerverband berichtete, dass Slowenien und Österreich bereits vor zehn Jahren als erste EU-Länder Schwierigkeiten mit der Arzneimittelversorgung hatten. Aber auch Drittländer, selbst diejenigen, in denen ein Großteil der Arzneimittel produziert wird (China, Indien, USA), hatten bereits ähnliche Schwierigkeiten. In der EU gibt es derzeit vor allem ein Engpass an Krebsmedikamenten und Antibiotika.  

Die Arzneimittelknappheit stellt eine Gefahr für die Gesundheit der Patienten dar. Zudem ist die Umstellung eines Patienten auf ein alternatives Medikament teuer, ggf. sind Bluttests für den Wechsel erforderlich. Krankenhausapotheker gaben zudem an, dass sie derzeit ein Drittel ihrer wöchentlichen Arbeitszeit dafür aufwenden, Ersatzmedikamente für die Patienten zu beschaffen. Als mögliche Ursache für die Lieferengpässe nannten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungen den Kostendruck auf die Pharmaunternehmen. Arzneimittel sind in den letzten Jahren immer billiger geworden. Es fehlt an Anreizen für die Pharmaindustrie, wenig rentable Arzneimittel zu produzieren. Manchmal ist weltweit nur noch eine Produktionsstätte für ein bestimmtes Medikament vorhanden. Ist diese Produktionsstätte zum Beispiel von einer Verunreinigung betroffen, kann das Medikament nicht geliefert werden. Die EU hat hohe Auflagen an die Zulassung von Arzneimitteln. Allerdings steht sie in einer großen Abhängigkeit von chinesischen Pharmaherstellern, mit der dortigen intransparenten Produktqualität.

Zu möglichen Lösungsansätzen betonten die Veranstaltungsteilnehmer, dass es aufgrund der Involvierung komplexer Marktmechanismen keine „one size fits it all“ gebe. Auf kurze Dauer könnten der Arzneimittelknappheit in der EU folgende Maßnahmen entgegenwirken: Die Erstellung einer Liste für den Überblick, welche Medikamente, die fehlen, von herausragender Wichtigkeit sind; keine nationale Lagerung von Medikamenten auf Vorrat; das Aushandeln von Vertragsregelungen unter Vertragsstrafe, dass der Hersteller an mehreren verschiedenen Standorten produzieren muss.

Auf lange Dauer sehen die Experten die folgenden Maßnahmen als zielführend an: Es müssen nachhaltige Verträge im Privatsektor mit robusten Lieferketten gefördert werden; Pharmaunternehmen sind (zwingend) zu verpflichten, unverzüglich Mitteilung zu erstatten, wenn ein Produktionsengpass besteht; die Produktion der Arzneimittel muss zurück in die EU kommen, um die Beaufsichtigung der Produktqualität und die Transparenz besser durchführen zu können (Autarkie = in sich geschlossenes Produktions- und Liefersystem in der EU); das Finden einer konstruktiven Lösung für Kosten und Preise (keine Discount-Preise für Medikamente); das Aushandeln von Verträgen mit asiatischen Drittländern zwecks Sicherstellung der dortigen Produktqualität. (JC)

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