| Wettbewerbspolitik

Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Europas

Eine stärkere Konzentration auf Wettbewerbsziele im EU-Haushalt hat der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi bei der Vorlage seines Berichts zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit am 9. September 2024 gefordert. „Dringlichkeit und Klarheit“ sind die beiden Worte, die seine Forderungen nach konkreten Maßnahmen auf europäischer Ebene am besten beschreiben, um die Produktivität und Wachstum in der EU zu steigern und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Union auf dem Weltmarkt zu verbessern. Draghi beziffert den jährlichen Investitionsbedarf auf 780 bis 800 Mrd. Euro, die durch Umschichtungen im Haushalt und neue Schulden aufgebracht werden sollen.
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Draghis Bericht „Die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil entwirft – ausgehend von einer Analyse der aktuellen Situation - eine Wettbewerbsstrategie für Europa. Diese orientiert sich an drei Hauptprioritäten: (i) die Überwindung der Innovationslücke in der EU, (ii) die Entwicklung eines Plans zur Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit und (iii) die Erhöhung der Sicherheit und Verringerung der globalen Abhängigkeit. Der zweite Teil des Berichts enthält detaillierte Empfehlungen für zehn der wichtigsten Sektoren, darunter die Bereiche Energie, Rohstoffe, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Halbleiter, saubere Technologien, Automotive, Pharmaindustrie, Transport und Verteidigung.

Um die Innovationsfähigkeit der EU zu verbessern, sollen primär die Rahmenbedingungen verbessert werden. Der Bericht empfiehlt eine Reform des nächsten EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation und zwar in Bezug auf die Schwerpunkte, die Mittelzuweisung, die Verwaltung und die finanzielle Leistungsfähigkeit. Das Programm sollte auf eine geringere Anzahl gemeinsam vereinbarter Prioritäten ausgerichtet und das Budget auf 200 Mrd. Euro für die gesamte Laufzeit verdoppelt werde. Weitere Empfehlungen im Innovationsbereich sind die Förderung einer branchenübergreifenden Koordinierung und des Datenaustauschs, um die Integration von Künstlicher Intelligenz in die europäische Industrie zu erleichtern. Eine Konsolidierung im Telekommunikationssektor soll höhere Investitionsraten in die Netzanbindung ermöglichen. Außerdem betont Draghi in seinem Bericht den Fachkräftemangel und rät zu einer Überarbeitung der Ausbildungskonzepte. Die intensivere Nutzung von Daten könnte dabei helfen, bestehende Qualifikationsdefizite zu verstehen und besser darauf zu reagieren. Die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung müssten schneller auf die sich verändernden Qualifikationsanforderungen und Qualifikationslücken reagieren. Darüber hinaus sollte ein gemeinsames europäisches Zertifizierungssystem eingeführt werden, um die Flexibilität der Beschäftigten zu maximieren.

Im Zusammenhang mit dem Plan zur Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit sieht der Bericht ein Hauptziel für den Energiesektor darin, die Energiekosten für die Endverbraucher dadurch zu senken, dass die Vorteile der Dekarbonisierung an den Verbraucher weitergegeben werden. Dazu werden Maßnahmen vorgeschlagen wie der gemeinschaftliche Kauf von Flüssiggas und die Reform des Strommarktdesigns, um die Vergütung für erneuerbare Energien und Kernenergie von der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen zu entkoppeln. Ein besonderes Augenmerk wird auf den raschen Netzausbau für saubere Energien gelegt. Dazu empfiehlt der Bericht die Schaffung eines „28. Regimes“ - also eines besonderen europäischen Rechtsrahmens außerhalb der 27 verschiedenen nationalen Rechtsrahmen - für Verbindungsleitungen, die als wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) gelten sollen.

Zum Bereich Erhöhung der Sicherheit und Verringerung der globalen Abhängigkeit wird auf eine schnelle Umsetzung des Gesetzes über kritische Rohstoffe verwiesen. Es wird empfohlen eine echte gemeinsame Außenwirtschaftspolitik zu entwickeln, die auf die Sicherung der Versorgung mit kritischen Ressourcen ausgerichtet ist. Als Schwächen der europäischen Verteidigungsindustrie werden die geringeren Verteidigungsausgaben, die mangelnde Konzentration auf technologische Entwicklung und die Fragmentierung in den Vordergrund gestellt. Da es keine gemeinsamen europäischen Ausgaben gibt, wird die Bündelung der Nachfrage, die Integration der industriellen Verteidigungsanlagen und eine verstärkte Zusammenarbeit von Ressourcen für Forschung gefordert.

Um die im Bericht genannten Ziel zu erreichten, wird mit mindestens 750 bis 800 Mrd. Euro an zusätzlichen jährlichen Investitionen gerechnet. Private Investitionen spielen dabei eine wichtige Rolle. Um diese zu erleichtern, wird unter anderem eine schnelle Vollendung der Kapitalmarktunion vorgeschlagen. Draghi vertritt in seinem Bericht aber die Ansicht, dass private Mittel allein nicht ausreichen werden, um den gesamten Bedarf zu decken. Neue öffentliche Gelder, müssten daher auf europäischer Ebene eingesetzt werden. Dazu bedarf es einer grundsätzlichen Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR). Dieser, so der Bericht, sei tendenziell zu zersplittert. Zukünftig bedürfe es eines stärker priorisierten MFR, um die strategischen Ziele zu erreichen. Ergänzend werden gemeinsame Schuldtitel für die Finanzierung europäischer Investitionsprojekte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Steigerung der Sicherheit vorgeschlagen.

Die Ergebnisse des Drahgi-Berichts werden in die Arbeit der nächsten Europäischen Kommission und hier insbesondere in den von Kommissionspräsidentin von der Leyen angekündigten neuen Plan für den nachhaltigen Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Europas einfließen. Dies gilt vor allen Dingen für die Entwicklung des neuen Clean Industrial Deal für wettbewerbsfähige Industrien und hochwertige Arbeitsplätze, der in den ersten 100 Tagen des neuen Mandats der Kommission vorgestellt werden soll. (UV)

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