„Mit unseren Partnern in der Großregion – dem Großherzogtum Luxemburg, der französischen Region Grand-Est, der belgischen Region Wallonie und dem Saarland – verbindet uns nicht nur eine gemeinsame Geschichte und eine lange Tradition der Zusammenarbeit. Uns verbindet auch eine europaweit einmalige Kompetenz auf dem Gebiet der Umwelttechnologien“, begrüßte die rheinland-pfälzische Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Ulrike Höfken mit Blick auf den New Yorker Klimagipfel zur Veranstaltung „Klimaschutz in der Großregion – Europäische Ziele und regionale Projekte“ am 9. September in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Brüssel.
Den Dreiklang aus Regulierung, Innovation und Anreizen forderte Höfken für die weitere Zusammenarbeit auf Bundes- und EU-Ebene einleitend zur dringend notwendigen Wahrung der Lebensgrundlagen vor dem Hintergrund der dramatischen Klimaveränderungen. Bereits seit 2014 hat Rheinland-Pfalz ein Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigen Klimazielen. Beispielsweise strebt Rheinland-Pfalz an, das THG-Reduktionsziel der EU bis 2020 um das Doppelte zu übertreffen. Derzeit wird das Klimaschutzkonzept zur Umsetzung des Landesklimaschutzgesetzes weiterentwickelt. Mit bereits jeder zweiten Kw/h-Strom aus Erneuerbaren Energien nimmt Rheinland-Pfalz einen Spitzenplatz ein. Zu einer Weiterentwicklung der dezentralen Energieversorgung im Land trägt auch das Projekt Designnetz in Kooperation mit dem Saarland und Nordrhein-Westfalen bei. Doch auch wenn Land und Kommunen als maßgebliche Umsetzer der Energiewende bereits viel auf den Weg gebracht haben, sind noch wesentlich entschiedenere Maßnahmen zum Ausweg aus der Klimakrise notwendig: Bundespolitisch sind dies aktuell ein Ende des Ausbaudeckels für Solar- und Windenergie, ein zügiger Kohleausstieg, die Einführung einer CO2-Bepreisung, sowie ein Bundesklimaschutzgesetz mit verbindlichen Sektorenzielen und ein Gebäudeenergiegesetz. Um das Potenzial der Eigenstromproduktion zu nutzen, ist die Befreiung von der EEG-Umlage erforderlich – nicht nur im Bereich Mieterstrom, sondern auch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industriestandorte. Mit Blick auf die im Dezember stattfindende internationale Klimaschutzkonferenz müsse Europa seiner Verantwortung gerecht werden und die aus dem Pariser Klimaschutzabkommen resultierenden Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen mit dem Ziel einer klimaneutralen Europäischen Union bis spätestens 2050 verbindlich festschreiben.
Den besonderen Chancen und Herausforderungen von Grenzregionen widmete sich der saarländische Staatssekretär für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Roland Krämer. Mit einer gemeinsamen Wirtschafsgeschichte und der höchsten Pendlerdichte in der EU nimmt die Großregion als Raum der Kontakte gemeinsam seine Verantwortung für zukünftige Generationen wahr. Das etablierte Netzwerk „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) unterstützt an die Jugend adressierte Akteure wie Kindergärten und Schulen in Bildungsmaßnahmen für Ressourcenschonung und Umweltgerechtigkeit mit bilingualen Fortbildungsseminaren. Die Großregion sieht in dem Ziel der Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern ein großes Wirtschaftspotenzial und unternimmt daher große Forschungsanstrengungen für die Energiewende – u.a. mit dem durch Interreg V A „Großregion“) geförderten Projekt Energiewaben für ein intelligentes Stromnetz in der Großregion.. Krämer zählte zahlreiche „innovative Lösungen zur Stärkung des ländlichen Raumes“ auf – u.a. das Interreg-Projekt RED WoLF, mit dem 100 Häuser mittels eigener Wärmespeicher zum Heizen von Gas auf Photovoltaik umgestellt werden.
Näher stellte Arndt Müller, Vorstand der Stadtwerke Trier und des rheinland-pfälzischen Partners Ecoliance des grenzüberschreitenden Umweltclusters Greater Green – wie auf beiliegender Präsentation ersichtlich – wirtschaftliche und skalierbare Praxisbeispiele vor, wie durch Integration und Digitalisierung von Abwasser, Wärme, Straßenbeleuchtung und Immobilien Energieeinsparung und regenerative Erzeugung optimiert werden: Trinkwasserspeicher werden zugleich als Stromspeicher genutzt, Straßenbeleuchtung mit Glasfaseranschlüssen mehrfach genutzt und private Photovoltaikanlagen ins Stromnetz eingebunden, aus Klärschlamm wird Biogas hergestellt und zukünftig auch Phosphor gewonnen. . All diese Sektor-verbindenden, innovativen Verfahren werden in dem Umwelttechnik-Leuchtturmprojekt Energie- und Technikpark Trier realisiert, einem komplett CO2-freien Gewerbegebiet im Norden Triers..
Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Europa bis 2050 fasste der stellvertretende Generaldirektor der GD Klima der Europäischen Kommission, Prof. Dr. Klaus-Dieter Borchardt zunächst das in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete als Winterpaket bekannte Legislativpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ mit der Kombination aus Energieeffizienz, dem Ausbau Erneuerbarer Energien, der Befähigung des Strombinnenmarkts zur Aufnahme Erneuerbarer Energien sowie der Stärkung der Rolle der Verbraucher zusammen. Als vielversprechend sah er etwa das von der Energie-Governance-Verordnung eingeführte neue Instrument nationaler Energie- und Klimastrategiepläne. Um jedoch tatsächlich eine emissionsfreie Wirtschaft bis 2050 zu erreichen, seien noch mehr Anstrengungen bei der Kopplung der Sektoren Strom, Gas und Wärm notwendig. Die Speicherung überschüssigen Stroms mittels Elektrolyse in Gas ermögliche neben dem Ausbau Erneuerbarer Energien ohne Überlastung des Stromnetzes die Weiternutzung des Gasnetzes über die Nutzung fossiler Energieträger hinaus. Die Klimaziele können jedoch nur durch Anstrengungen anderer Sektoren (Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft) erreicht werden. Die Digitalisierung sei dabei das Instrument, um diese zu verbinden, wie auch die Beispiele in der Großregion anschaulich gezeigt hätten. Als hinderlich kritisierte Borchardt die Doppelbelastung mit Abgaben bei der Elektrolyse und der Eigenstromerzeugung. Die neue Kommission werde einen neuen regulatorischen Rahmen für den europäischen Gasmarkt schaffen. Mit dem Green Deal habe die neue Kommissionspräsidentin die Leitlinie vorgegeben, dass die Ausrichtung auf die europäischen Klimaschutzziele für 2050 den Maßstab aller Maßnahmen der Europäischen Kommission für die nächsten fünf Jahre bilde.
In der anschließenden Podiumsdiskussion forderte der rheinland-pfälzische Umweltstaatssekretär Dr. Thomas Griese eine Materialwende in der Industrie, um klimaneutrale Rohstoffe und eine echte Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Der saarländische Staatssekretär Krämer betonte die Bedeutung von Holz als Rohstoff: „Mit der naturnahen und nachhaltigen Waldbewirtschaftung in der Großregion steht ein klimaneutraler Rohstoff zur Verfügung, der sowohl hier die Artenvielfalt als auch die Urwälder in Europa und der Welt vor Rodung bewahrt“. Griese warnte davor, Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung als Ersatz für dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen zu sehen. Von der Bundesregierung forderte er, Bürgerenergieprojekte bis 18 MW endlich – wie von der Kommission zugelassen – von der Ausschreibungspflicht auszunehmen. Die rheinland-pfälzische Europaabgeordnete Jutta Paulus erläuterte, der von vielen Kommunen ausgerufene „Klimanotstand“ schrecke durch den Begriff manchen ab, meine jedoch nichts anderes als einen generellen Klimavorbehalt für alle Investitionen einer Kommune. Für einen solchen allgemeinen Klimavorbehalt trete auch ihre Fraktion ein. Dennoch freute sie sich als Mitglied im Umweltausschuss, dass dieser im neuen EU-Haushalt immerhin eine Mittelbindung von 40 Prozent für den Klimaschutz vorsehe. Aus ihrer Erfahrung beim Umweltmetacluster Greater Green resümierte Tamara Breitbach, dass die Erkenntnis, „dass andere auch gute Ideen haben“ in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht nur den innovativen Fortschritt, sondern auch die zwischenmenschliche Zusammenarbeit befördere.
Hier finden Sie die Präsentation des Referenten, Arndt Müller.