| Corona-Krise

Deutsch-französisches Duo fordert verstärkte Souveränität im EU-Gesundheitssektor

Symbolbild: Medikamente

In einem gemeinsamen Vorschlag vom 18. Mai 2020 präsentierten der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel einen neuen europäischen Ansatz zur Bewältigung von Gesundheitskrisen als Bestandteil ihres Vier-Säulen-Modells für den Wiederaufbau. Der Vorschlag zielt auf eine größere Souveränität der EU bei medizinischen Produkten und Arzneimitteln ab. Die EU benötige eine „Gesundheitsstrategie“, um die Kontrolle über die Medizin- und Impfstoffproduktion in Europa zurückzugewinnen. Frankreich und Deutschland streben eine strategisch positionierte europäische Gesundheitsindustrie an, die unter voller Achtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für ihre Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme die europäische Dimension der Gesundheitsversorgung aufwertet und die Abhängigkeit der EU verringert. In dem gemeinsamen Vorschlag fordern die beiden Länder die Einrichtung eines gemeinsamen strategischen EU-Vorrats an Medikamenten und medizinischen Produkten wie Schutzausrüstung und Testkits. Zudem fordern sie die Aufstockung der europäischen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten für Impfstoffe und Behandlungen mit dem kurzfristigen Ziel, einen Coronavirus-Impfstoff in Europa zu entwickeln und seinen weltweiten Zugang sicherzustellen. Auch sollte die EU gegenüber der Pharmaindustrie mit einer Stimme sprechen, wenn es um die Beschaffungspolitik für künftige Impfstoffe und Behandlungen geht. Eine weitere Lehre, die aus der COVID-19-Krise zu ziehen sei, ist laut dem deutsch-französischen Vorschlag der Mangel an vergleichbaren Gesundheitsstatistiken. Es müssten gemeinsame Standards für die Interoperabilität von Gesundheitsdaten festgelegt werden. Schließlich fordert das Duo die Einrichtung einer EU-Gesundheits-Taskforce beim Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) mit dem Auftrag, in Zusammenarbeit mit den nationalen Gesundheitsbehörden Präventions- und Reaktionspläne gegen künftige Epidemien zu entwickeln.

Der Leiter der EU-Arzneimittelagentur (EMA), Guido Rasi, ist zurückhaltender, was die Aussichten auf die Produktion eines Impfstoffs in Europa betrifft. Am 18. Mai 2020 sagte er vor dem Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, wenn man in die Lage käme, eine Zulassung für den Einsatz von Impfstoffen in Europa zu erteilen, dann könne nicht gleichzeitig garantiert werden, dass ihre Verfügbarkeit in Europa gegeben sein werde. Das einzige Instrument zur Lösung des Problems der Verfügbarkeit ist laut Rasi das gemeinsame Beschaffungssystem der Kommission. Im April 2020 sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, es sei überdeutlich geworden, dass die EU die Produktion von Arzneimitteln steigern und Arzneimittelinnovationen innerhalb seiner Grenzen fördern müsse. Sie kündigte an, die Rückholung der Produktion von Arzneimitteln und pharmazeutischen Inhaltsstoffen nach Europa in die pharmazeutische Strategie aufzunehmen, die im Sommer 2020 veröffentlicht werden soll. Kyriakides forderte zudem, dass medizinische EU-Agenturen wie das ECDC und die Europäische Arzneimittelagentur EMA im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) besondere Förderung erhalten sollten. Auch ein im Umlauf befindlicher Entwurf der Prioritäten der am 1. Juli 2020 beginnenden deutschen Ratspräsidentschaft betont, dass es unerlässlich sei, die globale Wettbewerbsfähigkeit des Pharmasektors zu stärken und den Zugang zu innovativen Medikamenten zu sichern. Im Hinblick auf das Projekt der Kommission für eine neue europäische Pharmastrategie will Deutschland laut dem Entwurf im Rahmen der Ratspräsidentschaft über konkrete Maßnahmen diskutieren, wie Lieferengpässe bei Arzneimitteln verhindert, Lieferketten gesichert und Abhängigkeiten bei der Wirkstoffproduktion vermieden werden können. (JC)

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