| Kommission von der Leyen

Die Anhörungen der Vizepräsidenten

Am Dienstag, dem 8. Oktober 2019, dem letzten Tag der Anhörungen, waren die drei designierten leitenden Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis, Margrethe Vestager und Frans Timmermans an der Reihe. Alle leitenden Vizepräsidenten werden jeweils eine Doppelfunktion ausüben.

Als erstes wurde Valdis Dombrovskis (Lettland), zukünftig zuständig für den Bereich Wirtschaft im Dienste der Menschen und die Leitung des Ressorts Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion, vom Parlament befragt.

In seiner Eingangsrede bekräftige Dombrovskis, dass Europa in einer immer unsicherer werdenden Welt zusammenstehen müsse. Er wolle die wirtschaftliche Souveränität der Europäischen Union stärken, um global eine zentrale Rolle einnehmen zu können. Außerdem wolle er kleine und mittlere Unternehmen fördern, etwa durch einen neuen Investitionsfond. Dombrovskis erklärte, er wolle die EU zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft führen, dabei die Werte der für Europa typischen sozialen Marktwirtschaft nicht außer Acht lassen. So solle etwa die Europäische Investitionsbank vermehrt in Klimamaßnahmen investieren und zu einer Klimabank werden.

Dombrovskis will auch Pläne für einen europäischen Mindestlohn vorlegen und sich mit dem Thema Kryptowährungen befassen. Die Mitgliedstaaten müssten eindeutige gesetzliche Regelungen bezüglich digitaler Währungen schaffen, um zum Beispiel gegen die von Facebook geplante Online-Währung Lira vorzugehen. Außerdem schlägt Dombrovskis vor, zukünftig die Regulation von Staatsausgaben an deren Schulden zu koppeln. Bezüglich der in den letzten Monaten diskutierten Einführung einer goldenen Fiskalregel zeigte er sich offen, diese zumindest im begrenzten Maße einzuführen, um Anreize für Investitionen zu schaffen. Die Finanzmärkte sollen insgesamt nachhaltiger gestaltet und die bestehenden Europäischen Stabilitätsmechanismen reformiert werden, so Dombrovskis.

Dänemark soll in der kommenden Kommission wieder durch die Liberale Margarethe Vestager vertreten werden. Ursprünglich war sie als Kommissionspräsidentin gehandelt worden. Nun ist sie nominiert für den Posten der leitenden Vizepräsidentin. Ihr bisheriges Ressort Wettbewerb wird sie weiterführen und sich gleichzeitig dem großen Thema der Digitalisierung widmen.

In ihrer Anhörung am 8. Oktober 2019 ging Vestager auf ihre Strategie gegen die Marktmacht von Internetkonzernen wie Google und Facebook ein. So erklärte die Wettbewerbskommissarin, dass sie sich verpflichtet sehe, die Wettbewerbsfähigkeit mit der geringstmöglichen Einmischung („obligation to use the least intrusive tool“) sicherzustellen. Die Zerschlagung der Konzerne könne demnach nur als letztmöglicher Weg in Betracht kommen, so Vestager.

Ein Thema, das die Parlamentarier besonders interessierte, ist Vestagers Doppelrolle als Wettbewerbskommissarin und Leiterin der Arbeitsgruppe, die „Europa fit für das digitale Zeitalter“ machen soll. Denn die Zuständigkeit für Plattformregulierung liegt ebenfalls bei Sylvie Goulard, der designierten Kommissarin für Binnenmarkt. In diesem Zusammenhang fragten daher auch zwei Abgeordnete, ob aktive Industriepolitik nicht einen Interessenskonflikt mit ihrer Arbeit als Hüterin des fairen Wettbewerbs darstellen würde. Vestager entgegnete, dass neue Gesetzesvorschläge, wie Pläne zur Plattformregulierung, von den Ressorts für Binnenmarkt und Inneres ausgearbeitet werden würden. „Es wird nicht mein Stift sein, der sie aufschreibt.“

Wenig konkret äußerte sich Vestager zur digitalpolitischen Agenda der zukünftigen EU-Kommission. Welche genauen Maßnahmen in Zukunft angewandt werden, um Plattformkonzerne stärker zu regulieren, wurde nicht deutlich. Zum Digital Services Act erklärte sie, er solle Haftungs- und Sicherheitsregeln für digitale Dienstleistungen und Produkte verbessern. Diese Aussage deckte sich mit der Sylvie Goulards vergangene Woche. Vestager bekräftige, die EU-Kommission werde einen neuen Vorschlag für eine Digitalsteuer machen. Diese war zuletzt an der Ablehnung einiger Mitgliedsstaaten gescheitert.

Als letzter Kandidat wurde am Abend des 8. Oktober 2019 der Niederländer Frans Timmermans, vorgesehen als Leiter des Portfolios für den European Green Deal und Kommissar der Klimapolitik, vom Umweltausschuss angehört. Er ist sehr ambitioniert, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Es sei zwar noch Forschung notwendig, doch die Einigung auf das Ziel, bis 2030 Emissionen um 55%, statt wie bisher um 40%, zu reduzieren, hält er für realistisch. Timmermans unterstützt ebenfalls die Idee des Just Transition Funds um Regionen, die negativ von der Energiewende betroffen sind, finanziell zu unterstützen. Details, woher die geplanten knapp 5 Milliarden Euro jedoch kommen sollen, nannte er noch nicht. Langfristig wolle er auf Energie durch Wasserstoff setzen, so Timmermans. In diesem Bereich sei Kooperation mit afrikanischen und nordafrikanischen Ländern wichtig.

Besonders der Verkehrssektor spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Erreichung des Ziels der Klimaneutralität 2050 geht. So warb Timmermans für emissionsfreie Autos. Zudem wolle er möglichst bald den Emissionshandel auch auf die Schifffahrt ausweiten und den Schienenverkehr stärken, um langfristig eine gute Alternative zum Flugverkehr bieten zu können. Ziel seiner zukünftigen Politik sei es jedoch nicht, dem Transportsektor zu schaden, sondern zu einer klimaneutralen Wende zu bewegen.

Timmermanns betonte, die Europäische Union solle als gutes Beispiel vorangehen, gleichzeitig aber auch andere Regionen der Welt zu mehr Klimaschutz motivieren. Alleine könne Europa den Klimawandel nicht aufhalten. 

Alle drei leitenden Vizekommissare konnten fachlich überzeugen und werden wahrscheinlich die Zustimmung vom Parlament erhalten.

Ebenfalls am 8. Oktober 2019 fand die zweite Anhörung des designierten polnischen Landwirtschaftskommissars Janusz Wojciechowski statt, der das Parlament in seiner ersten Anhörung noch nicht überzeugen konnte. In seiner zweiten Anhörung entschied sich Wojciechowski, seine Antworten auf Polnisch zu geben, um sich präziser ausdrücken zu können. Er wolle sich dafür einsetzen, dass es keine Budgetkürzungen im Agrarsektor gebe, das weiter freiwillige Kooperationen in umweltfreundliche Projekten gefördert und auch konkret die ökologische Landwirtschaft vorangebracht werde.

Wie von von der Leyen gefordert, werde er auf den bisherigen Errungenschaften des amtierenden Landwirtschaftskommissars Phil Hogan aufbauen, so Wojciechowski. Außerdem möchte er sich für kleinere Landwirtschaftsbetriebe und gegen die Konzentration von großen Ländereien in den Händen einiger weniger einsetzen. Er wolle die GAP mehr auf „active farmers“ zuschneiden. In seinen Schlussworten betonte Wojciechowski, dass umweltfreundliche Landwirtschaft essentiell sei, gleichzeitig den Bauern aber keine Angst gemacht werden dürfe und sie nicht zusätzlich belastet werden sollten. Diesmal schien Wojciechowski die Parlamentarier mehr überzeugt zu haben; seine Entscheidung die Antworten in polnischer Sprache zu geben, war wohl eine gute. (KH/KL)

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