Am Montag, den 7. Oktober 2019 musste sich der designierte Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und zeitgleich Vizepräsident für ein stärkeres Europa in der Welt, Josep Borrell (Spanien) vor dem Europäischen Parlament verantworten.
Der 72-Jährige bekräftigte in seiner Anfangsrede, dass die EU angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen zusammenstehen und eine gemeinsame Position vertreten müsse. Dazu wäre es allerdings notwendig, dass die Mitgliedstaaten teilweise auf die Ausübung ihrer Souveränität verzichteten. Die EU müsse multilateral agieren, aber auch ihre eigene Position verteidigen. Zusammenarbeit mit Drittstaaten und gemeinsamer Grenzschutz seien Instrumente, um den geopolitischen Auswirkungen der Migration zu begegnen. Außerdem wolle er die Beziehungen zu den USA verbessern und in Bezug auf Trump einen Neustart versuchen, sagte Borrell.
In der anschließenden Frage- und Antwort-Runde bestätigte Borrell, dass man bezüglich der aktuellen Lage in Venezuela Härte gegenüber Präsident Maduro zeigen, gleichzeitig aber auch immer das Wohl der Bevölkerung im Blick haben müsse. Daher sehe er neue Sanktionen eher kritisch. Borrells Portfolio ist sehr breit; auf die Frage nach seinen Prioritäten antwortete Borrell, dass sein Fokus auf dem Balkan, den östlichen Außengrenzen und Libyen läge.
Gegenüber Russland müsse die EU zusammenstehen und den bestehenden Kurs von wirtschaftlichen Sanktionen, aber auch Offenheit für Gespräche weiter fortführen. Gleichzeitig müsse man auch die Ukraine stärken. Borrell will sich für eine Einigung zwischen dem Kosovo und Serbien einsetzen, daher wird ihn seine erste Amtsreise nach Pristina führen. Als spanischer Außenminister hätte er diese Reise nicht antreten können, da Spanien die Republik Kosovo nicht als unabhängigen Staat anerkennt.
Das Abstimmungsverfahren der qualifizierten Mehrheit, welches schnelle außenpolitische Entscheidungen erleichtern würde, sollte in einigen speziellen Fragen wie Sanktionen gegenüber Russland und Entscheidungen im Bereich Menschenrechte und Friedenssicherung getestet werden. Borrell warnt davor, dass mit einem vermehrten Einsatz künstlicher Intelligenz auch die Gefahr von Desinformation steige. Nationalismus erteilte er eine Absage, indem er sich vehement gegen Grenzen aussprach.
In seinen Abschlussbemerkungen fasste Borrell zusammen, dass es drei Problembereiche für die EU gebe: Identität, Positionierung und Methoden. An diesen Bereichen werde man im Sinne der Mitgliedstaaten arbeiten, so der Kandidat.
Borrell mit dem Amt des Hohen Vertreters zu betrauen, wurde vom Europäischen Rat beschlossen. Diese Tatsache und die positiven Reaktionen der Parlamentarier lassen darauf schließen, dass Borrell akzeptiert werden wird.
Die Tschechin Věra Jourová ist kein neues Gesicht in Brüssel. In der derzeitigen Kommission bekleidet sie das Amt der Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Nun wurde sie als Vizepräsidentin für das Ressort Werte und Transparenz vorgeschlagen. Ihre Anhörung fand ebenfalls am Nachmittag des
7. Oktober 2019 statt.
Schon in ihren schriftlichen Antworten gab Jourová bekannt, dass sie ein verpflichtendes Lobbying-Register unterstützen möchte. Dort sollen Treffen von Lobbyisten und Politikern registriert werden.
In ihrer Einführungsrede sprach sie von ihrem Portfolio als „Europas Seele“. Ihre Aufgabe sei wichtig für das Volk und wichtig angesichts der internen und externen Herausforderungen, mit denen sich Europa konfrontiert sieht. Ihr Ziel sei es, Europa demokratischer und transparenter zu machen, sagte Jourová. In Bezug auf Themen der Rechtsstaatlichkeit möchte sie die Linie Frans Timmermans‘ weiterzeichnen. Dieser war in der aktuell auslaufenden Kommission zuständig für Rechtsstaatlichkeit.
Jourová sieht die EU-Institutionen in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen, glaubwürdig aufzutreten und der vollumfänglichen Rechenschaftspflicht nachzukommen. Die Freiheit der Medien und den Pluralismus müsse man stärker fördern. Eine konkrete Maßnahme wäre das Aufzeigen von Bedrohungen gegen Journalisten und deren Unterstützung, beispielsweise in Gerichtsprozessen. Das Spitzenkandidatensystem empfindet sie als verbesserungswürdig, wobei sie jedoch keine konkreten Lösungsvorschläge unterbreitet.
Jourová möchte mehr Transparenz bei bezahlter politscher Werbung und mehr Klarheit bei der Finanzierung europäischer politischer Parteien. Dies solle unter anderem politischer Desinformation vorbeugen. Eine ihrer Aufgaben wird laut Jourová ein neuer EU-weiter Rechtsstaatlichkeits-Kontrollmechanismus sein. (KL/KH)