| Kommission von der Leyen

Die meisten Kandidaten überzeugten am 3. Anhörungstag

Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie der Rechtsausschuss hörten am 2. Oktober 2019 den liberalen Kandidaten Didier Reynders(Belgien) an. Reynders ist von der Leyens designierter Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit. In der dreistündigen Anhörung wurden vor allem Fragen zur Rechtsstaatlichkeit und zur Modernisierung des Rechtssystems gestellt.

Zu Beginn erklärte Reynders, dass er in seinem ersten Jahr einen funktionierenden Rechtsstaatlichkeitsmechanismus unter Einbeziehung von Parlament und Rat vorschlagen werde, der für alle Mitgliedstaaten gilt, wobei der Schwerpunkt auf den Ländern liegen werde, in denen Risiken identifiziert wurden. Mit Blick auf die jüngsten, gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Korruption betonte Reynders, dass die Klage abgewiesen wurde und dass "Rechtsstaatlichkeit auch Unschuldsvermutung bedeutet".

Weitere vom Liberalen Reynders genannte Schwerpunkte waren die uneingeschränkte Unterstützung bei der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft, eine mögliche Überprüfung des Europäischen Haftbefehls, die rasche Annahme der Richtlinie über Sammelklagen, die vollständige Umsetzung der Verordnung über den allgemeinen Datenschutz sowie Sicherheit und Vertrauen als grundlegende Bestandteile der Vorgehensweise zur Künstlichen Intelligenz.

Die EVP-Fraktion zeigte sich überzeugt vom Auftritt des Belgiers. Der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion Esteban Gonzalez Pons fasste zusammen: „Er gab klare Antworten und zeigte uns, dass er über gute Kenntnisse seines Portfolios verfügt. Jetzt liegt es an den Koordinatoren des Ausschusses zu entscheiden, aber die EVP-Fraktion ist bereit, mit dem designierten Justizkommissar Didier Reynders in der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten".

Die sozialdemokratische Kandidatin für das Ressort Chancengleichheit,Helena Dalli(Malta) musste sich am 2. Oktober 2019 ebenfalls den kritischen Fragen des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sowie des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten stellen. Ihre Einführungsrede nutzte Dalli, um zu bekräftigen, dass Diskriminierung "sowohl dem Einzelnen, als auch der Gesellschaft als Ganzes schadet". Daher werde sie sich für ein Europa „frei von Diskriminierung“ einsetzen.

Im Falle ihrer Ernennung zur Kommissarin verpflichtete sie sich, innerhalb von drei Monaten eine Task Force für Gleichstellung einzusetzen, um einen intersektionellen Ansatz für Gender Mainstreaming in allen EU-Maßnahmen auszuarbeiten. Die Kandidatin aus Malta versprach zudem eine EU-Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter mit neuen Maßnahmen zu Themen wie Geschlechterstereotypen, Gewalt gegen Frauen, geschlechtsspezifisches Lohngefälle und Lohntransparenz.

Die Entscheidung von der Leyens, erstmals eine Gleichstellungskommissarin zu ernennen, wurde von den Abgeordneten positiv aufgenommen.

Die S&D-Fraktion zeigte sich überzeugt vom Auftritt Dallis. Für die EVP-Fraktion blieb die Kandidatin in ihren Antworten teilweise zu oberflächlich, zum Beispiel zur zukünftigen Zusammenarbeit mit den Kommissaren anderer Bereiche. Laut Ausschusssprecherin Frances Fitzgerald sind für die EVP-Fraktion die Themen geschlechtsspezifische Lohn- und Rentenunterschiede, Förderung von Unternehmerinnen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders wichtig. Zudem appellierte sie an Dalli, die Ratifizierung des Istanbuler Übereinkommens durch die EU voranzubringen.

Die ehemalige französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard stellte sich als designierte Kommissarin für den Binnenmarkt ebenfalls am 3. Anhörungstag den Fragen des Parlaments.

In ihrer Einführungsrede hob Goulard hervor, wie wichtig die Vollendung des Binnenmarkts sei – sowohl für den Dienstleistungssektor als auch für die Industrie. Sie betonte die Notwendigkeit, die Unternehmen in die Lage zu versetzen, zum Wachstum beizutragen, auch durch die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie durch Bürokratieabbau. Sie erwähnte auch die Kreislaufwirtschaft und verwies auf die Möglichkeiten, die eine Lösung der Klimakrise für die europäische Industrie bieten könnte. Die französische Kandidatin erwähnte auch Probleme im Zusammenhang mit der Notwendigkeit eines fairen Mindestlohns in der EU und mit der mangelnden Steuergerechtigkeit in den EU-Mitgliedstaaten. Goulard erklärte, dass ein neues Gesetz über digitale Dienste vorgelegt werden solle, das ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit schaffe.

Fragen der Parlamentarier beinhalteten unter anderem, wie Goulard die Binnenmarktfreiheiten (Waren, Dienstleistungen, Personen, Kapital) protegieren und sicherstellen will, auch in Bezug auf das neue Gesetz über digitale Dienstleistungen. Zudem forderten einige Abgeordnete die Gewährleistung der Netzneutralität. Zum Thema Künstliche Intelligenz versprach Goulard, innerhalb der ersten 100 Tage im Amt ein Konzept vorzulegen.

Auch wenn sie fachlich eine gute Figur machen konnte, subsumierte EVP-Politiker Christian Ehler im anschließenden Interview, es hänge „eine Wolke des Zweifels“ über Goulard. So entschieden die zuständigen Ausschüsse demnach auch, dass die Kandidatin vorerst nicht bestätigt werden kann und für eine zweite Anhörung mit weiteren Fragen antreten müsse. Fraglich ist dabei, wo der Ursprung dieser Skepsis liegt. Sicherlich standen die Vorwürfe zur mutmaßlichen Scheinbeschäftigung eines Mitarbeiters im Raum. Zudem weckte eine fürstlich vergütete Beschäftigung für den deutsch-amerikanischen Milliardär Nicolas Berggruen Zweifel. Goulard musste sich dazu einige kritische Fragen gefallen lassen. Allerdings liegt auch der Verdacht nahe, dass besonders die EVP-Fraktion noch offene Rechnungen mit dem französischen Präsidenten zu begleichen hatte. Macron hatte bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten den EVP-Kandidaten Manfred Weber unsanft aus dem Rennen geworfen. So ist es nicht verwunderlich, dass manche Parlamentarier es der Kandidatin von Macron möglichst schwer machen wollen.

Elisa Ferreira (Portugal) wurde am Abend des 3. Oktober 2019 vom Parlamentsausschuss Regionale Entwicklung befragt, da sie für die Ressortleitung Kohäsion und Reformen vorgesehen ist. Dabei waren mögliche Budgetkürzungen, die durch den Brexit entstehen könnten, ein Kernthema. Hier zeigte die Portugiesen großes Engagement für den Sektor. Zwar hänge die Höhe der finanziellen Mittel von den Zusagen der Mitgliedsstaaten ab, doch sie kämpfe für das höchstmögliche Budget. Außerdem bekräftigte sie, dass die Arbeit ihres Mannes, der mit Projekten der portugiesischen Regionalpolitik betraut ist, keinen Einfluss auf ihre eigene Arbeit haben würde und es diesbezüglich keinen Interessenskonflikt gebe. Ferreira versprach in ihrer Amtszeit nach der Maxime zu handeln, dass keine Region zurückgelassen werde. Insgesamt schien sie das Parlament von sich überzeugen zu können.

Das Ressort Krisenmanagement soll zukünftig Janez Lenarčič (Slowenien) leiten. Er musste am dritten Anhörungstag vor dem Entwicklungsausschuss Rede und Antwort stehen und überzeugte mit fachlicher Kompetenz. Humanitäre Hilfe sei ein Kernelement Europäischer Unterstützung in Folge von Krisen und Katastrophen. Die Hilfe trage zur Stabilisierung der betroffenen Regionen bei und helfe, Partnerschaften zu gründen, die auf europäischen Werten basierten. Er betonte jedoch auch, dass humanitäre Hilfe allein keine Lösungen für Missstände wie beispielsweise die aktuell „grausamen“ Bedingungen für Flüchtlinge und Migranten in libyschen Auffanglagern seien. In seinem Resümee hob Lenarčič auch die Bedeutung des Zentrums für die Koordination von Notfallmaßnahmen hervor. (KH/KL)

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