Das im Vorschlag der Europäischen Kommission (KOM) vorgesehene 90‑Prozent‑Ziel wurde im Rat bestätigt, jedoch mit erweiterten Flexibilitätsoptionen versehen: nur 85 Prozent der Minderung müssen innerhalb der EU erzielt werden, während bis zu fünf Prozent durch internationale Zertifikate nach Artikel 6 des Pariser Abkommens erreicht werden können. Eine Pilotphase beginnt 2031, die volle Nutzung ist ab 2036 vorgesehen. Diese Regelung, maßgeblich auf Druck Frankreichs und Italiens eingeführt, ermöglicht den Mitgliedstaaten Kostenvorteile, führt aber nach Experteneinschätzungen zu einem höheren realen Emissionsniveau, das rund 700 statt 470 Mio. Tonnen CO₂‑Äquivalente betragen könnte. Der Rat betonte, dass diese Anpassungen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, soziale Ausgewogenheit und technologische Neutralität sichern sollen.
Weitere Beschlüsse betreffen den Aufschub der zweiten Stufe des Emissionshandels, den Emissionshandel für Gebäude und Verkehr (ETS 2) von 2027 auf 2028, die mögliche Verlängerung der Zuteilung kostenloser Zertifikate im ETS 1 sowie eine verstärkte Berücksichtigung alternativer Kraftstoffe bei der Verkehrsdekarbonisierung. Im Rahmen einer erweiterten Revisionsklausel sollen Fortschritte alle zwei Jahre überprüft und politische Anpassungen alle fünf Jahre ermöglicht werden. Zudem verpflichteten sich die Mitgliedstaaten zur Förderung von Innovationen, Investitionen und des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Die KOM bewertete die Einigung als pragmischen und realistischen Schritt, der Investoren Planungssicherheit biete. Gleichermaßen bekräftigte sie, dass der Klimarahmen künftig verstärkt auf Energiesicherheit, technologische Innovation und einen fairen Übergang ausgerichtet werden soll. Deutliche Kritik kam hingegen aus Politik und Zivilgesellschaft. Umweltorganisationen warnen vor einer faktischen Verwässerung der Klimaziele, insbesondere durch Ausnahmen für Natur‑Senken, die es erlauben, geringere CO₂‑Bindungsleistungen von Wäldern und Böden nicht ausgleichen zu müssen. Auch der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments (EP) hat sich am 5. November 2025 mit dem Thema befasst und sich klar für die Beibehaltung des 90‑Prozent‑Ziels ausgesprochen, allerdings eine klare Begrenzung internationaler Zertifikate auf drei Prozent und strenge Qualitätsstandards nach Artikel 6 (4) des Pariser Abkommens gefordert.
Formal handelt es sich bei der Auseinandersetzung um eine Änderung des Europäischen Klimagesetzes (European Climate Law, ECL), das eine verbindliche Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber 1990 bis 2040 vorsieht. Das EP wird in den kommenden Wochen seinen Standpunkt festlegen, um im anschließenden Trilogverfahren mit dem Rat den endgültigen Rechtsrahmen für das 2040-Ziel ausarbeiten. Die EU-Institutionen wollen vor der COP30 zu einer einheitlichen Position gelangen, um ihre Führungsrolle im globalen Klimaschutz zu bekräftigen. Die Einigung gilt als Balanceakt zwischen Klimaschutzambition, wirtschaftlicher Tragfähigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz innerhalb der Europäischen Union. (HB)
