Am 23. April 2020 haben sich die Staats- und Regierungschefs per Videokonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgetauscht, um die weiteren Schritte nach Abklingen der Corona-Krise zu beraten. Ratspräsident Charles Michel moderierte die Videoschalte von Brüssel aus.
Die Stimmung während des EU-Gipfels war Berichten zufolge mild. Dies war im Vorfeld nicht zu erwarten, da insbesondere aus Südeuropa europäische Solidarität („Corona-Bonds“) gefordert und deren Erfüllung gar mit dem Fortbestehen der Europäischen Union verknüpft wurde.
Die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten das angekündigte Hilfspaket in Höhe von 540 Mrd. Euro. Der EU-Gipfel hat somit den von der Eurogruppe am 7. und 9. April 2020 verabschiedeten Hilfsplan bestätigt.
Darüber hinaus einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf die Gründung eines Wiederaufbaufonds (Recovery fund), der möglicherweise 1.000 Mrd. Euro beinhalten soll. Die Kommission soll nun zunächst eine Bedarfsanalyse erstellen um festzustellen, in welchen Sektoren Mittel welchen Umfangs überhaupt benötigt werden. Kommissionspräsidentin von der Leyen würde hierfür gerne den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) nutzen, da er das geeignete Instrument sei. Über Garantien könnte die Kommission im Rahmen dessen auch am Kapitalmarkt Schulden aufnehmen und diese Mittel in den Wiederaufbau als Zuschüsse sowie Kredite vergeben. Ein entsprechender Vorschlag der Kommission wird am 6. Mai 2020 erwartet. Von „Corona Bonds“ sprechen in diesem Zusammenhang nur noch wenige. Ganz verschwunden aus der politischen Diskussion sind sie aber nicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eingeräumt, dass der EU-Haushalt deutlich größer werden müsse und dass auch Deutschland einen höheren Beitrag werde leisten müssen. Merkel sagte nach der Videokonferenz mit ihren Kolleginnen und Kollegen, dass das EU-Budget zukünftig „ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben muss“. Eine Erhöhung des EU-Haushaltsvolumens war zu erwarten. „Unsere aktuellen Schätzungen der Bedarfe belaufen sich auf 2 Prozent des BNE über zwei bis drei Jahre, anstelle der bisher veranschlagten 1,2 Prozent“, sagte von der Leyen während der Schalte.
Im Vorfeld des EU-Gipfels waren Informationen geleakt worden, wie und in welcher Größenordnung der Wiederaufbau gestaltet werden solle, ohne dass man sich dazu vorher mit den Staats- und Regierungschefs besprochen hatte. Im Rahmen der Videokonferenz hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Kommissionspräsidentin ermahnt, vor der Mitteilung zum Vorschlag der Kommission für ein Langzeitbudget am 6. Mai 2020 mit „uns“ zu sprechen. Dies wurde von Beobachtern als Rüffel an die Kommissionspräsidentin gedeutet.
Im Vorfeld hatte auch die Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde angekündigt, dass die EZB zukünftig auch ganz besonders schlecht bewertete Kredite („junk-rated loans“) akzeptieren werde, um den Zentralbanken zu Geld zu verhelfen. Sie mahnte die Staats- und Regierungschefs zur Eile, denn im schlechtesten Falle könnte das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone 2020 um 15 Prozent sinken, wenn nicht alsbald eine schnelle, flexible und entschlossene Reaktion im Hinblick auf eine künftige Erholung erfolge.
Grundsätzlich leiden die Ratssitzung der EU und insbesondere die Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs unter der Kommunikation per Video. Die so wichtigen Absprachen unter vier, sechs oder mehr Augen am Rande der Treffen, die zur Bildung von „Allianzen“ führen und auch Entscheidungen beschleunigen können, fallen ebenso weg wie die Möglichkeit, sich mit den eigenen Beratern schnell und vor Ort kurzzuschließen. Auch die letzteren nehmen direkt an den Sitzungen teil und tauschen sich untereinander aus. Und nicht zuletzt der Informationsfluss an die Arbeitsebene in Brüssel ist damit in erheblichem Maße beeinträchtigt. (sch/CM/jbs)