Solo-Selbstständige haben es oft schwer, für sich allein gute Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Bislang hat die umstrittene Auslegung des EU-Wettbewerbsrechts dazu geführt, dass viele von ihnen von Tarifverhandlungen ausgeschlossen sind. Da Solo-Selbstständige als Unternehmen gelten, könnten sie in Konflikt mit den EU-Wettbewerbsvorschriften geraten, wenn sie gemeinsam über ihre Gebühren oder andere Geschäftsbedingungen verhandeln. Nach Artikel 101 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen untersagt.
Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin für ein Europa für das digitale Zeitalter und EU-Wettbewerbskommissarin, erklärte dazu: „Ein gemeinsames Vorgehen bei Tarifverhandlungen eignet sich als Instrument, um diese Bedingungen zu verbessern. Die neuen Leitlinien sollen Solo-Selbstständigen Rechtssicherheit bieten, indem sie klarstellen, wann ihre Bemühungen, gemeinsam über bessere Konditionen zu verhandeln, wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind.“
Die neuen Leitlinien der KOM gelten für Solo-Selbstständige, die vollständig auf sich gestellt arbeiten und keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter beschäftigen. Deutlich gemacht wird darin, dass das Wettbewerbsrecht nicht auf Solo-Selbstständige Anwendung findet, die sich in einer vergleichbaren Situation wie Arbeitnehmer befinden. Dazu gehören Solo-Selbstständige, die 1. ihre Dienstleistungen ausschließlich oder überwiegend für ein Unternehmen erbringen, 2. Seite an Seite mit Arbeitnehmern arbeiten und 3. ihre Dienstleistungen für oder über eine digitale Arbeitsplattform erbringen. Ausgenommen von den Wettbewerbsvorschriften sind außerdem Selbstständige in einer schwachen Verhandlungsposition, die etwa mit wirtschaftlich stärkeren Unternehmen verhandeln.
Die Gewerkschaften begrüßten die neuen Leitlinien: „Tarifverhandlungen für Selbstständige sind unerlässlich, um Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen festzulegen. Sie bekämpfen prekäre Arbeitsverhältnisse und beseitigen das Machtgefälle auf dem Arbeitsmarkt“, so Isabelle Schömann vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).
Die KOM wird im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes und durch Gespräche mit den europäischen Sozialpartnern weiter beobachten, wie sich die Leitlinien auf nationaler Ebene niederschlagen. Bis 2030 wird sie ihre Leitlinien überprüfen. (VS)