Insbesondere eine Personalie sieht sich starker Kritik ausgesetzt: Dem Italiener Raffaele Fitto würde als geschäftsführendem Vizepräsidenten und Kommissar für Regionalförderung sowie Reformen eine Schlüsselposition in der neuen KOM zukommen. Er ist Mitglied der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, der auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört, und amtierender Europaminister in Italien. Seine Nominierung wird insbesondere aus den Fraktionen der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen kritisiert. Das Mitte-Links-Lager hatte die Wiederwahl von der Leyens unter der Bedingung unterstützt, dass sie nicht mit Rechtsaußen-Parteien zusammenarbeitet. Dennoch gilt Fitto in Brüssel als eher gemäßigt und pro-europäisch und wird vereinzelt sogar als „Brückenbauer“ bezeichnet.
Designierte Vizepräsidentin und EU-Außenbeauftragte ist Kaja Kallas aus Estland. Sie war von 2021-2024 estnische Regierungschefin und wurde bereits im Juli 2024 von den Staats- und Regierungschefs der EU als neue Außenbeauftragte nominiert. Kallas setzt sich für eine harte Linie gegen Russland und die Unterstützung der Ukraine ein.
Daneben schlug von der Leyen Teresa Ribera Rodríguez (Spanien) und Henna Virkunnen (Finnland) als geschäftsführende Vizepräsidentinnen vor. Als designierte Wettbewerbskommissarin ist Rodríguez zuständig für den „grünen, gerechten und wettbewerbsfähigen Wandel“. Virkunnen wird als Kommissarin für Digitales unter anderem für die Umsetzung einiger Legislativakte zur Digitalisierung aus der vergangenen Legislaturperiode verantwortlich sein.
Kurz vor Verkündung der Vorschläge von der Leyens zog sich der ursprünglich angedachte Kandidat Frankreichs, Thierry Breton, überraschend zurück und tat öffentlich seine Differenzen mit der Kommissionspräsidentin kund. An seine Stelle rückt Stéphane Séjourné, Frankreichs Außenminister und ein Vertrauter Macrons, der als geschäftsführender Vizepräsident und Kommissar für Industrie und den Binnenmarkt eine sehr einflussreiche Funktion innerhalb der KOM bekleiden wird.
Für das Amt des Handelskommissars schlug von der Leyen den Slowaken Maroš Šefčovič vor, der als Vizepräsident der KOM unter anderem für den Green Deal zuständig war. Dem Letten Valdis Dombrovskis soll das Wirtschaftsressort zukommen. Das Amt des Kommissars für Inneres und Migration wird an den aktuellen österreichischen Finanzminister Magnus Brunner gehen. Der Niederländer Wopke Hoekstra soll Kommissar für Klimaschutz bleiben.
Erstmalig werden neue Zuständigkeiten an der Spitze der KOM geschaffen: Die Kroatin Dubravka Šuica soll als Kommissarin für den Mittelmeerraum tätig werden. Der Litauer Andrius Kubilius ist designierter Kommissar für Verteidigung. Dan Jørgensen aus Dänemark wurde als Kommissar für Wohnen nominiert.
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Mit ihren Vorschlägen konnte von der Leyen die von ihr selbst angestrebte Gleichstellung innerhalb der KOM nicht erreichen: Nur ca. 40 Prozent der vorgeschlagenen Personen sind weiblich, ca. 60 Prozent männlich. Zum Ausgleich finden sich unter den sechs stellvertretenden Kommissionspräsidentinnen und ‑präsidenten vier Kandidatinnen.
Nun liegt die Entscheidung über die Neubesetzung der KOM beim Europäischem Parlament. Hierzu werden die designierten Kandidatinnen und Kandidaten von den Fachausschüssen ab Oktober angehört. In der Vergangenheit sind nach Kritik der Abgeordneten an einzelnen Nominierten die betroffenen Personen von den jeweiligen Mitgliedstaaten ausgetauscht worden. Die dann neu vorgeschlagenen Kandidierenden müssen sich ebenfalls den Fragen der Fachausschüsse des Europäischen Parlamentes stellen.
Aufgrund dieses Verfahrens ist es wahrscheinlich, dass die neue KOM nicht vor dem 1. Dezember 2024 ihre Arbeit wird aufnehmen können. (LH/HP)