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EU leitet Vertragsverletzungsverfahren ein

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Am 15. März 2021 hat die Europäische Union rechtliche Schritte gegen das Vereinigte Königreich eingeleitet. Anlass ist die Ankündigung der britischen Regierung vom 3. März 2021, die Umsetzung der Vorschriften aus dem Protokoll zu Irland/Nordirland verzögern zu wollen. Zuvor hatte die britische Regierung in einer Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses allerdings ihr Vorhaben bekräftigt, die Bestimmungen des Protokolls einhalten zu wollen. Das Protokoll ist als Bestandteil des Austrittsabkommens seit dem 1. Februar 2021 in Kraft.

Die Europäische Kommission hat am 15. März 2021 das Vereinigte Königreich in einem Aufforderungsschreiben gemahnt, Alleingänge wie diese zu unterlassen, da sie den konstruktiven Geist der Zusammenarbeit im Zuge des Brexit unterwanderten. Darüber hinaus seien mit der Verletzung der Verpflichtungen aus diesem Protokoll auch völkerrechtliche Verstöße bei der Anwendung internationaler Übereinkünfte gemäß Artikel 26 des Wiener Vertragsübereinkommens verbunden. Nicht zuletzt habe die britische Regierung gegen die Erfüllung der Verpflichtung nach Treu und Glauben (die sogenannte „good faith obligation“) des Austrittsabkommens verstoßen, so die Pressemitteilung der Kommission.

Das Abkommen von Belfast – das sogenannte Karfreitagsabkommen – aus dem Jahr 1998 garantiert Frieden, Stabilität und Sicherheit an der Grenze zwischen Nordirland als Teil des Vereinigten Königreichs und der Republik Irland. Das Protokoll soll sicherstellen, dass dieser Frieden nicht gefährdet wird. Mit einer harten Grenze (und erneuten Zoll- und Grenzkontrollen) zwischen Nordirland und der Republik Irland kann es Einschätzungen zufolge erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen. In Nordirland selbst wird das Protokoll allerdings nicht einhellig begrüßt. Kritiker nennen es „hohl“ und einen Beleg für Brüssels Blindheit gegenüber den Problemen für den nordirischen Handel.

Parallel zum Aufforderungsschreiben, das offiziell ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 12 Absatz 4 des Protokolls in Verbindung mit Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einleitet, hat Kommissionsvizepräsident Šefčovič ein Schreiben an den für Brexit zuständigen Minister David Frost geschickt. Dieser ist Parteikollege des Premierministers Boris Johnson und gilt als dessen enger Vertrauter.

Johnson selbst ließ verlauten, dass er die Schritte der EU für vernünftig hält, da der Zweck des Protokolls darin bestehe, die Interessen und Wünsche beider Volksgruppen in Nordirland zu schützen. Gleichzeitig sagte er, dass seine Regierung im Rahmen ihrer Rechte gehandelt habe und die Verpflichtung nach Treu und Glauben nicht verletzt werde. Das Vereinigte Königreich freue sich darauf, die Angelegenheit mit den „europäischen Freunden zu diskutieren“, so Johnson.

Das Vereinigte Königreich hat nun bis Ende März 2021 Zeit, auf dieses Schreiben zu antworten. Vizepräsident Maroš Šefčovič, der Ko-Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses zum Brexit ist, hat laut Presseerklärung seine Hoffnung bekräftigt, den Konflikt im Gemeinsamen Ausschuss und ohne ein Schiedsverfahren lösen zu können.

Sollte das Schreiben unbeantwortet bleiben, kann das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen, obwohl das Vereinigte Königreich die EU verlassen hat. (sch)

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