| Geschlechtergleichstellung

EU-Parlament will Erhöhung des Frauenanteils in den Leitungsorganen von Unternehmen fördern

Nach jahrelanger Blockade haben sich am 7. Juni 2022 Unterhändler der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments (EP) auf verbindliche EU-weite Frauenquoten für Leitungspositionen in Unternehmen, die an der Börse notiert sind, verständigt. Sie arbeiten daran, den Vorschlag der EU-Kommission (KOM) zur Geschlechtergleichstellung weiter auszubauen. 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Vorstandssitze börsennotierter Unternehmen sollen dadurch von Frauen eingenommen werden.
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In dem ausgearbeiteten Vorschlag werden die Unternehmen damit beauftragt, Maßnahmen zu treffen, um die Zahl der weiblichen nicht geschäftsführenden Mitglieder der Aufsichtsräte anzuheben, die als unabhängige Beraterinnen tätig und nicht für das Tagesgeschäft des Unternehmens verantwortlich sind. Zwei Modelle stehen hierbei zur Debatte. Die Mitgliedstaaten müssten bis zum Jahr 2027 entweder einen Frauenanteil von 40 Prozent unter den nicht geschäftsführenden Aufsichtsratsmitgliedern oder von 33 Prozent für alle Aufsichtsratsmitglieder erzielen. Nach Schätzungen des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen sind derzeit nur knapp über 30 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder und 8,5 Prozent der Aufsichtsratsvorsitzenden in der EU Frauen. Eine weitere Gesetzesregelung betrifft das Recht auf Vorrang des am wenigsten repräsentierten Geschlechts bei Auswahl zwischen gleich qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern. Die EU-Länder sind verpflichtet, sicher zu stellen, dass diese Vorgabe durch  Unternehmen umgesetzt wird.

Formell müssen EU-Staaten und EP der Einigung noch zustimmen. Während man sich über den Großteil des Gesetzesvorschlags einig ist, sind die interinstitutionellen Verhandlungen über die konkrete Umsetzung und das Datum der Einhaltung noch nicht beendet. Der Vorschlag wird dementsprechend weiter mit dem EP debattiert, das versucht, sich mit den EU-Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Gesetzestext zu einigen und eventuelle Grauzonen und Schlupflöcher in den Bestimmungen zu beseitigen. Auch sollen denkbare Ausnahmen für Mitgliedstaaten, die bereits entsprechende Quotenanforderungen haben, geprüft werden. Die meisten Länder stimmten dem Text zu, nur Polen und Schweden stellten sich entschieden gegen die Richtlinie.

Auf Unternehmensseite bestehen – unter Verweis auf soziale, kulturelle und bildungspolitische Gründe für die geringere Anzahl von Frauen in Führungspositionen – außerdem Zweifel über die allgemeine Wirksamkeit solcher Quotenregelungen. Bei deren Umsetzung auf EU-Ebene solle zudem mit Blick auf je nach Land verschiedenartige Verfahren zur Ernennung von Aufsichtsratsmitgliedern mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten bedacht werden.

Bereits vor rund zehn Jahren hatte die EU-Kommission erstmals einen Vorschlag für verbindliche Regeln hinsichtlich einer Frauenquote eingebracht. Unter der damaligen EU-Justizkommissarin Viviane Reding gab es einen Vorstoß, der jedoch auch von der deutschen Regierung unter Angela Merkel abgelehnt wurde.

Das Vorhaben wurde Anfang des Jahres 2022 von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erneut auf die Agenda gesetzt. Am 14. März 2022 hatten sich schließlich im Rat der Europäischen Union die Ministerinnen und Minister für Beschäftigung und Soziales auf eine allgemeine Ausrichtung zu einem Vorschlag für einen EU-Rechtsakt zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften geeinigt. Mit dieser Übereinkunft wurde der Weg frei gegeben für Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament im Hinblick auf die Festlegung eines gemeinsamen Standpunkts.

Nun fordern Aktivistinnen und Aktivisten eine schnelle Verabschiedung des Textes noch vor Ende der französischen EU-Ratspräsidentschaft zum 30. Juni 2022 und drängen darüber hinaus auf ernst zu nehmende Strafen und Sanktionen, sollten die Ziele nicht eingehalten werden.

In Deutschland gibt es seit 2015 die Vorgabe, dass mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in besonders großen Unternehmen Frauen sein müssen. Zudem einigte sich die frühere große Koalition aus CDU und SPD im vergangenen Jahr auf eine Quote für Vorstände.

Mehr zur Gleichstellung der Geschlechter in der EU, und wie das Parlament gegen die damit verbundenen Problemstellungen vorgeht, finden Sie hier. (JGa)

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