Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 23. März 2021 entschieden, dass ein Pilotenstreik keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der Fluggesellschaften von der Pflicht zu Ausgleichszahlungen bei Annullierungen oder großen Verspätungen entbindet. Zum einen gehörten Streiks der eigenen Belegschaft zum normalen Geschäft auch von Airlines. Zum anderen sei die Arbeitsniederlegung von Piloten, etwa um Gehaltserhöhungen durchzusetzen, beherrschbar, argumentierte der Gerichtshof. Das Urteil erging in der Rechtssache Airhelp Ltd gegen Scandinavian Airlines System SAS (C-28/20).
Ein Fluggast hatte einen Flug von Malmö nach Stockholm gebucht, der am
29. April 2019 von Scandinavian Airlines System (SAS) hätte durchgeführt werden sollen. Der Flug wurde am selben Tag wegen eines Pilotenstreiks in Dänemark, Schweden und Norwegen annulliert.
Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass das in der Grundrechte-Charta der EU verankerte Streikrecht als eine Möglichkeit der Kollektivverhandlungen gesehen werden kann. Daher sei der Pilotenstreik für bessere Arbeitsbedingungen bei der SAS als Teil der „normalen Ausübung der Tätigkeit des Arbeitgebers“ anzusehen, auch wenn dieser ein Luftfahrtunternehmen sei. Zur Frage, ob der fragliche Streik von der SAS in keiner Weise beherrschbar war, argumentierten die Richter, dass der Streik als Grundrecht in der EU für jeden Arbeitgeber als „vorhersehbare Tatsache“ gelten müsse, insbesondere wenn ein Streik angekündigt wurde.
Außerdem verfüge die Luftfahrtgesellschaft grundsätzlich über die Mittel, sich darauf vorzubereiten und dessen Folgen gegebenenfalls abzufangen. Daher könne die Fluglinie nicht behaupten, sie habe keinerlei Einfluss auf die Streikmaßnahmen. Schließlich sei der Pilotenstreik im vorliegenden Verfahren keine „externe“ Ursache, da es weder um ein Naturereignis noch um eine Handlung von Dritten, wie beispielsweise Streiks von Fluglotsen oder des Flughafenpersonals, gehe. (UV)