| Umweltrecht

EuGH: Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung nicht von Größe des Projekts abhängig

Nach Unionsrecht dürfen Schwellenwerte für die Durchführung einer Umweltverträg-lichkeitsprüfung (UVP) nicht so hoch angesetzt werden, dass in der Praxis alle oder nahezu alle Projekte einer bestimmten Art von vornherein der Prüfpflicht entzogen sind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dies in seiner Entscheidung vom 25. Mai 2023 (Rechtssache C-575/21) festgestellt.
©pixabay

Der Entscheidung des EuGH lag eine Klage des Unternehmens WertInvest Hotelbetrieb gegen die Stadt Wien zugrunde. Das Unternehmen beantragte bei der Stadt die Erteilung einer Baugenehmigung für das Projekt „Heumarkt Neu“. Im Rahmen des Vorhabens sollte in der Kernzone der Unesco-Welterbestätte „Historisches Zentrum Wien“ das bestehende Hotel InterContinental abgerissen und mehrere neue Gebäude mit einer Bruttogeschoßfläche von rund 89 000 m2 auf einer Fläche von ca. 1,55 ha errichtet werden. Nachdem die Stadt keinen Bescheid über den Antrag erlassen hatte, legte das Unternehmen beim Verwaltungsgericht Wien Säumnisbeschwerde ein, um die Erteilung der Baugenehmigung zu erreichen. Nach Ansicht des Unternehmens unterliegt das Projekt unter Beachtung der im österreichischen Recht geltenden Schwellenwerte und Kriterien nicht der Pflicht zur Durchführung einer UVP. Nach österreichischem Recht ist eine UVP für „Städtebauprojekte“ nur bei einer Überschreitung der Schwellenwerte im Ausmaß einer Flächeninanspruchnahme von mindestens 15 ha sowie einer Bruttogeschossfläche von mehr als 150 000 m2 durchzuführen. Das VG Wien wandte sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH, um zu fragen, ob die österreichischen Regelung mit der Richtlinie 2011/92 über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vereinbar sei.

Der EuGH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass ein Mitgliedstaat bei der Festlegung von Schwellenwerten für die Durchführung einer UVP nicht allein die Größe eines Projekts berücksichtigen darf. Beispielsweise könnten mehrere Schwellenwerte für verschiedene Größenordnungen von Projekten festgelegt werden, die nach Maßgabe der Art und des Standorts der Projekte gelten. Der Standort sei insbesondere bei Projekten im Kerngebiet einer Unesco-Welterbestätte ein besonders relevantes Kriterium. Aufgrund des begrenzten Raums in einem städtischen Umfeld seien die österreichischen Schwellenwerte so hoch, dass in der Praxis die Mehrheit der Städtebauprojekte von der Pflicht zur Durchführung einer UVP ausgenommen seien. Das VG Wien habe zu beurteilen, ob alle oder nahezu alle betroffenen Projekte dieser Pflicht entzogen sind. Dies wäre grundsätzlich mit der Richtlinie unvereinbar. Die Richtlinie verbiete auch die Erteilung von Teil-Baugenehmigungen im Rahmen von Städtebauprojekten vor oder neben der Durchführung einer notwendigen UVP. (UV)

Die Pressemitteilung ist unter folgendem Link zu finden.

Teilen

Zurück