Vor dem Hintergrund der russischen Invasion der Ukraine ist es erklärtes Ziel, Europa deutlich vor 2030 von fossilen Brennstoffen aus Russland unabhängig zu machen. Dies gilt zunächst für Gas, soll aber später auch Öl und Kohle beinhalten. Der Entschluss basiert auf der Entwicklung der Energiepreise in Europa und dient der Aufstockung der Gasreserven in Europa. Bereits vor Ende des Jahres 2022 soll die Nachfrage nach russischem Gas um zwei Drittel reduziert werden. Obwohl die steigenden Energiepreise als Problem länger bekannt waren, hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Situation dramatisch verschärft.
„REPowerEU“ soll die Widerstandsfähigkeit des EU-weiten Energiesystems erhöhen und setzt dabei in einem Zwei-Säulen-System auf die Diversifizierung der Einfuhren nichtrussischer Gaslieferanten und die Einfuhren von Biomethan und Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen sowie die Verringerung der Nutzung fossiler Brennstoffe.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte: „Wir müssen unabhängig von Öl, Kohle und Gas aus Russland werden. Wir dürfen uns einfach nicht auf einen Lieferanten verlassen, der uns schlichtweg bedroht.“ Es gelte, jetzt zu handeln, damit die Auswirkungen der steigenden Energiepreise abgefedert und der Übergang zu sauberer Energie beschleunigt werden könne, so von der Leyen.
Mit einer vollständigen Umsetzung der Vorschläge im Rahmen des Pakets „Fit for 55“ würde der jährliche Verbrauch an fossilem Gas bis 2030 um 30 Prozent oder 100 Milliarden Kubikmeter reduziert. „REPowerEU“ ermögliche es, „schrittweise 155 Milliarden Kubikmeter fossiles Gas einzusparen; dies entspricht der Menge, die 2021 aus Russland eingeführt wurde.“
Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans, zuständig für den Europäischen Green Deal, erklärte, man müsse jetzt die eigenen Schwachstellen („vulnerabilites“) beseitigen und „bei unseren energiepolitischen Entscheidungen rasch mehr Unabhängigkeit gewinnen“ sowie „im Eiltempo“ auf Energie aus erneuerbaren Quellen umstellen. Diese seien sauber, billig und potentiell unerschöpflich. Darüber hinaus könne man auf diese Weise Arbeitsplätze in der EU schaffen, anstatt die fossile Brennstoffindustrie außerhalb der EU zu finanzieren. Putins Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass „wir unsere Energiewende dringend beschleunigen müssen.“
Energie-Kommissarin Kadri Simon sagte ergänzend, dass Europa für die verbleibenden Wochen des Winters über ausreichend Gas verfüge, die Vorräte für nächstes Jahr allerdings dringend aufgefüllt werden müssten. Die Kommission werde daher vorschlagen, dass die Gasspeicher in der EU bis zum 1. Oktober 2022 zu mindestens 90 Prozent gefüllt sein müssen, so die Kommissarin. Ebenso habe man Vorschläge zu „Preisregulierung, staatlichen Beihilfen und steuerlichen Maßnahmen vorgelegt, um die europäischen Haushalte und Unternehmen vor den Auswirkungen außergewöhnlich hoher Preise zu schützen.“ Bis April 2022 will die Kommission einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen.
Indessen setzte die Kommission ihre Untersuchung des Gasmarktes fort, da zu befürchten steht, dass einige Akteure – insbesondere die russische Gazprom – die Wettbewerbsbedingungen verfälschten. Außerdem will die Kommission Notfallmaßnahmen prüfen, wie sich das Durchschlagen auf die Strompreise für europäische Haushalte und Unternehmen begrenzen lässt. Sie wird dabei unter anderem den Abschlussbericht der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) berücksichtigen, damit Strom erschwinglich bleibt, ohne den grünen Wandel zu beeinträchtigen. (sch)