Der Wettbewerbskompass konzentriert sich auf drei Säulen, die Stärkung der Innovationsfähigkeit, die Dekarbonisierung und die Verringerung von Abhängigkeiten. Ergänzt werden diese durch horizontale Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in allen Sektoren. Die Europäische Kommission (KOM) fasst in dem Dokument ihre wirtschaftspolitischen Prioritäten zusammen und zeigt zum ersten Mal auf, wann welche Teile der wirtschaftspolitischen Agenda vorgelegt werden sollen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstrich bei der Vorstellung des Wettbewerbskompasses aber auch, dass an den Zielen des Green Deal festgehalten werde. Außerdem wird im Kompass auf die zentrale Bedeutung einer wirksamen Sozialpolitik auf Grundlage der Europäischen Säule sozialer Rechte für die Gestaltung eines wettbewerbsfähigen Europas hingewiesen. Eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft mit hoher Produktivität werde sicherstellen, dass das bestehende europäische Sozialmodell langfristig finanziell tragfähig sei.
Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Innovationsförderung geht es darum, die Innovationslücke der EU zu schließen. Die Start-up- und Scale-up-Strategie soll bessere Rahmenbedingungen für die Gründung und das Wachstum von Start-ups schaffen. Flankiert wird dies durch die Vertiefung der Spar- und Investitionsunion sowie ein TechEU-Investitionsprogramm der Europäischen Investitionsbank. Die KOM kündigt eine umfassende KI-Strategie für den europäischen Kontinent an. Diese zielt darauf ab, Netzwerkeffekte auf europäischer Ebene zu nutzen, indem sie „Mega‑KI‑Fabriken“ einrichtet. Sie sollen Europas Rechenleistung steigern und Start‑ups, Forschern und der Industrie zur Verfügung stehen, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Innovativen Unternehmen soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch einheitliche Rechtsvorschriften leichter vom Binnenmarkt zu profitieren. Dazu wird ein rechtlicher Rahmen (28. Regime) vorgeschlagen. Dieser soll alle relevanten Aspekte des Gesellschafts-, Insolvenz-, Arbeits- und Steuerrechts einschließen. Die KOM verspricht sich davon vereinfachte Vorschriften und sinkende Kosten. Insgesamt soll außerdem die Industriepolitik stärker auf europäischer Ebene koordiniert werden, so auch in den Bereichen Robotik, Weltraumtechnologie, Biotechnologie sowie Werkstoffe. Hierzu kündigt die KOM entsprechende Rechtsakte an. Die Berichtspflichten für Unternehmen sollen um 25 Prozent reduziert werden, für kleine und mittlere Unternehme (KMU) sogar um 35 Prozent.
Ein Novum ist die geplante Lockerung der Wettbewerbsregeln, um die Entstehung von europäischen Champions zu unterstützen. Bislang galt es bei der Fusionskontrolle, die Entstehung marktbeherrschender Konzerne zu verhindern. Mit dem neuen Ansatz sollen europäische Unternehmen beim Wachstum unterstützt werden und im internationalen Wettbewerb besser dastehen. Mit einem so genannten Omnibus‑Verfahren sollen gleich drei wichtige Gesetze gestrafft werden: die Lieferkettenrichtlinie, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die EU‑Taxonomie. Die drei Gesetze sollen in einem Verfahren so geändert werden, dass sie besser aufeinander abgestimmt und vor allem vereinfacht sind. Als eine der größten Herausforderungen werden bislang die hohen und volatilen Energiepreise genannt. Daher schlägt die KOM vor, den Zugang zu sauberer und erschwinglicher Energie für die stromintensive Industrie wie Stahl und Metall zu erleichtern. Im für den 26. Februar 2025 angekündigten Deal für saubere Industrie (Clean Industrial Deal), wird ein wettbewerbsorientierter Ansatz für die Dekarbonisierung der Industrie verfolgt. Beschleunigte Genehmigungsverfahren sollen der Industrie dabei helfen, den Übergang zu sauberen Produktionsverfahren schneller zu bewältigen. Der Wettbewerbskompass sieht auch maßgeschneiderte Aktionspläne für die Stahl-, Metall- und Chemiebranche vor.
Daneben ist die KOM bestrebt, die Abhängigkeit der EU von Drittstaaten wie China oder den USA bei Rohstoffen und Technologien weiter zu reduzieren. Vor allem die europäische Rüstungsindustrie soll dabei gestärkt werden, weshalb sie für März 2025 die Strategie für eine europäische Verteidigungsunion ankündigt. Außerdem wird vorgeschlagen, kritische Rohstoffe künftig gemeinsam in der EU zu beschaffen. Dazu ist eine neue Einkaufsplattform der Mitgliedstaaten geplant. Darüber hinaus wird im Zusammenhang mit dem nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) auch ein neuer Wettbewerbsfonds angekündigt, um Investitionen in grenzüberschreitende Projekte und zur Koordinierung der Wettbewerbsfähigkeit anzustoßen. (UV)
Weitere Informationen zum Wettbewerbskompass auf der Internetseite der KOM.