| Finanzpolitik und weitere Unterstützung der Ukraine

Europäische Kommission überdenkt Optionen für Finanzierung der Ukraine

Beim letzten Europäischen Rat im Oktober 2025 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten auf die Bereitstellung eines umfangreichen Finanzpakets für die Ukraine über die kommenden zwei Jahre. Offen blieb dabei aber, wie genau die erwartete Finanzierungslücke von knapp 135 Mrd. Euro geschlossen werden könnte. Trotz intensiver Bemühungen der Europäischen Kommission (KOM) gelang es im Oktober nicht, eine gemeinsame Linie zur Finanzierung der Hilfen zu finden.
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Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte den Mitgliedstaaten in den vergangenen Wochen drei Optionen. Der erste Vorschlag beruht auf freiwilligen Zuschüssen der Mitgliedstaaten, die die EU anschließend als nicht zurück zu zahlende Unterstützung an die Ukraine weiterleiten würde. Die KOM hält dabei ein jährliches Mindestziel von 45 Mrd. Euro für notwendig. 

Der zweite Vorschlag zielt auf eine gemeinsame Kreditaufnahme der Mitgliedstaaten über sog. Eurobonds ab. Die EU würde die aufgenommenen Mittel an die Ukraine weiterreichen, während die Mitgliedstaaten die jährlichen Zinszahlungen entsprechend ihrem Bruttoinlandsprodukt tragen müssten. Die Rückzahlung des Darlehens wäre an künftige Reparationszahlungen Russlands gekoppelt.

Am kontroversesten wurde jedoch Vorschlag drei diskutiert – das sog. Reparationsdarlehen. Hierbei sollen eingefrorene Vermögenswerte der russischen Zentralbank genutzt werden, um der Ukraine Darlehen von bis zu 140 Mrd. Euro zu gewähren. Russland erhielte die Mittel erst dann zurück, wenn es die Ukraine für die Schäden aus dem Angriffskrieg entschädigen würde. Für den Fall, dass die Vermögenswerte wider Erwarten freigegeben würden müssten, sieht das Modell Garantien der Mitgliedstaaten vor. 

Während die KOM Option drei und damit das Reparationsdarlehen über Wochen hinweg vehement und uneingeschränkt befürwortete, zeichnet sich inzwischen ein deutlich vorsichtigerer Ton ab. In einem aktuellen Schreiben an die Mitgliedstaaten räumt die KOM ein, dass die Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte „negative Effekte“ auslösen und „gefährlich für die Finanzmärkte“ sein könnte, insbesondere wenn das Darlehen international als Enteignung wahrgenommen würde. Damit distanziert sie sich erstmals klar von ihrer zuvor uneingeschränkten Unterstützung. 

Hintergrund sind unter anderem auch Warnungen aus Brüssel und internationalen Institutionen. Euroclear, der belgische Finanzdienstleister, der den Großteil der eingefrorenen russischen Zentralbankreserven verwaltet, sieht den Vorschlag als Eingriff, der dem internationalen Vertrauen der Investoren schaden und Klagen auslösen könnte. Auch der Internationale Währungsfonds mahnt, dass die KOM für eine solche Konstruktion eine besondere rechtliche Grundlage schaffen müsse, um Risiken für das globale Finanzsystem zu vermeiden. In der KOM wächst daher die Sorge, dass ein unzureichend abgesichertes Reparationsdarlehen zu Marktverwerfungen führen könnte. Da sich der Großteil der russischen Vermögenswerte bei Euroclear befindet, sieht sich auch die belgische Regierung besonderen Risiken ausgesetzt – sowohl rechtlich als auch im Hinblick auf mögliche Reaktionen Russlands. Premierminister Bart De Wever warnt vor „unkalkulierbaren Konsequenzen“ und forderte rechtsverbindliche, bedingungslose und unwiderrufliche Garantien der übrigen Mitgliedstaaten, damit sein Land im Ernstfall nicht alleine hafte. 

Dieser Argumentation hat sich die KOM nunmehr angenähert und erklärt, dass Garantien in voller Verbundhaftung „unumgänglich“ seien, falls das Reparationsdarlehen umgesetzt werde. In diplomatischen Kreisen wird dies zum Teil als stilles Eingeständnis gewertet, dass die Risiken tatsächlich höher ausfallen könnten als zunächst von der KOM dargestellt. 

Angesichts dieser Lage betont die KOM nun, dass sich die drei Finanzierungsoptionen nicht gegenseitig ausschließen, sondern auch miteinander kombiniert werden könnten. Neben den Vermögenswerten bei Euroclear könnten auch eingefrorene russische Guthaben in anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Für die KOM sei entscheidend, dass die EU der Ukraine gegenüber eine verlässliche und nachhaltige Finanzierungsstruktur schaffe. 

Da der Europäische Rat im Oktober keine Einigung erzielen konnte, plant die KOM, das Thema auf dem Europäischen Rat im Dezember erneut zur politischen Orientierung vorzulegen. Erwartet wird, dass die KOM bis dahin weitere juristische und finanztechnische Absicherungen für das Reparationsdarlehen ausarbeiten wird, die sich auf eine weiter abgeschwächte Position zubewegen. (GL/YA)

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