Am 13. Dezember 2023, dem Abend vor dem Europäischen Rat zur Unterstützung der Ukraine, gab die KOM 10,2 Mrd. Euro für Ungarn frei. Die Mittel aus dem Kohäsionsfonds waren eingefroren worden, weil Ungarn die Auflagen zur Justizreform noch nicht erfüllt hatte. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hatte im Vorfeld des Gipfels gedroht, die geplante Abstimmung über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine zu blockieren. Im anschließenden Europäischen Rat – einen Tag nach Freigabe der Gelder – gab Orbán sein Veto auf, indem er den Raum verließ. Die übrigen Ratsmitglieder konnten sich so einstimmig für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine entscheiden.
EU-Abgeordnete äußerten laute Kritik am Vorgehen der KOM und an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die KOM habe die finanziellen Mittel nicht wegen tatsächlich erfüllter Bedingungen freigegeben, sondern sich von Ungarn erpressen lassen. Aus diesem Grund will eine Mehrheit im EP, bestehend aus Sozialdemokraten, Grünen, Konservativen, Liberalen und Linken, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die Entscheidung der KOM einreichen. Hierzu wurde am 18. Januar 2024 ein Entschließungsantrag im EP verabschiedet. Bevor es dann tatsächlich zur Klage kommt, müsste der Rechtsausschuss prüfen, ob ein Rechtsverstoß der KOM möglich erscheint.
Einige Europaabgeordnete wollen zusätzlich ein sogenanntes Artikel-7-Verfahren einleiten. Vom Europäischen Rat weitergeführt, könnten die Staats- und Regierungschefs Ungarn dann das Stimmrecht entziehen. Da dies allerdings Einstimmigkeit vom Rat erfordert, ist es unwahrscheinlich, dass es dazu kommen wird.
Das EP hofft nun, mit der drohenden Klage schon im Vorfeld ein Warnsignal an den Europäischen Rat zu senden, der im Februar erneut tagen wird. Auf dem außerordentlichen Gipfel soll eine Einigung über die Finanzhilfe für die Ukraine in Höhe von 50 Mrd. Euro gefunden werden. Die liberale Renew-Fraktion im EP kündigte bereits an, ein Misstrauensvotum gegen die KOM anzustreben, falls vor der Ratstagung erneut Gelder für Ungarn freigegeben werden sollten.
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