| Soziales Europa

Gipfeltreffen in Porto

Dass Bekenntnis dazu, dass niemand zurückgelassen werden und die Chancengleichheit aller sichergestellt werden soll, war eine der zentralen Botschaften des Sozialgipfels von Porto am 8. Mai 2021. In der „Erklärung von Porto zu sozialen Angelegenheiten“ unterstrichen die europäischen Staats- und Regierungschefs ihren festen Willen, weiterhin auf ein soziales Europa hinzuarbeiten und betonten, dass Europa mehr denn je „der Kontinent des sozialen Zusammenhalts und des Wohlstands sein“ müsse. Zudem hebt die Erklärung die wesentliche Bedeutung der Einheit und Solidarität Europas bei der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie hervor. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hatte am 7./8. Mai 2021 zu einem dreiteiligen Gipfeltreffen in Porto geladen: „Sozialgipfel“, informeller Rat und EU-Indien-Gipfel. Bundekanzlerin Angela Merkel hatte sich mit Blick auf die aktuelle Situation entschieden, digital an den als Präsenztreffen organisierten Gipfeln teilzunehmen.

Ratspräsident Charles Michel hob im Anschluss an das zweitägige Treffen hervor, dass die Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs auch eine Verpflichtung sei, „regelmäßig auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs zurückzukehren, um die Fortschritte zu bewerten, die wir bei dieser sozialen Verpflichtung der Europäischen Union zu sehen hoffen.“ Die Sozialpolitik gehört zu den erklärten Schwerpunkten der portugiesischen Ratspräsidentschaft. Mit der Ausrichtung des Sozialgipfels knüpft sie an den Göteborger Gipfel in 2017 an, dessen zentrales Ergebnis die Europäische Säule Sozialer Rechte war.

Zu den von den Regierungsspitzen in ihrer Abschlusserklärung festgelegten Schwerpunkten gehört neben der Schaffung von Arbeitsplätzen auch eine Fokussierung des politischen Handels auf Bildung und Kompetenzen und die besondere Unterstützung junger Menschen, die von der Pandemie sehr stark betroffen sind. In diesem Zusammenhang soll insbesondere auch die Möglichkeiten des Bildungs- und Jugendprogramms Erasmus+ umfänglich genutzt werden, um die Mobilität von Studierenden und Auszubildenden in ganz Europa zu fördern. Insbesondere Jugend, aber auch Bildung wird mit dieser Prioritätensetzung eine deutliche stärkere Bedeutung eingeräumt, als es 2019 im Rahmen der neuen Strategischen Agenda der EU noch der Fall war.

Weitere politische Schwerpunkte, die die Regierungschefinnen und - hervorheben, sind die Stärkung von Arbeitsnehmerrechten und der Systeme der sozialen Sicherheit; Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz; die Verringerung von Ungleichheiten; eine gerechte Entlohnung; die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut, insbesondere der Kinderarmut, und der Risiken der Ausgrenzung von besonders schutzbedürftigen sozialen Gruppen wie Langzeitarbeitslosen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen und Wohnungslosen. Die Regierungsspitzen erklärten weiterhin, ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Diskriminierung verstärken und aktiv darauf hinarbeiten zu wollen, geschlechtsbedingten Beschäftigungs-, Verdienst- und Rentengefälle zu beseitigen sowie die Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle Mitglieder der Gesellschaft fördern zu wollen. Insgesamt unterstreichen sie die Rolle der Europäischen Säule der Sozialen Rechte (ESSR) auch für eine Erholung Europas und ordnen dem Aktionsplan zur Umsetzung der ESSR, den die Kommission in diesem Jahr vorgelegt hatte, eine wichtige Funktion als Orientierungshilfe zu. Teil des Aktionsplans sind drei zentrale Ziele im Bereich Beschäftigung, Weiterbildung und Armut, die bis 2030 erreicht werden sollen. In einer gemeinsamen „Erklärung von Porto zum sozialen Engagement“ hatten sich am Vortag die Führungsspitzen der EU-Institutionen, die europäischen Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft zu diesen Kernzielen verpflichtet. Bundeskanzlerin Merkel begrüßte den Aktionsplan der Kommission und sagte, die Diskussion zum sozialen Europa habe zum richtigen Zeitpunkt stattgefunden. In allen Mitgliedstaaten „sind gerade junge Menschen sehr stark beeinträchtigt“, auch Arbeitsplätze seien in Gefahr. Sie unterstrich, dass in diesem Zusammenhang gerade die soziale Säule der Europäischen Union daher „von ganz besonderer Wichtigkeit“ sei. MdEP Katarina Barley (SDE/S&D) forderte mit Blick auf den Sozialgipfel: „Die EU muss endlich einen gemeinsamen Rahmen für armutsfeste Mindestlöhne beschließen und mehr in gleiche Lebensverhältnisse von Helsinki bis Palermo investieren“ und kritisierte, dass „jeder soziale Fortschritt Europas mühsam gegen die Konservativen erkämpft werden“ müsse.

Am 8. Mai 2021 fand zudem der EU-Indien-Gipfel in Porto statt. Ratspräsident Charles Michel sprach von einem neuen Kapitel in den Beziehungen zwischen EU und Indien. Unter anderem wurde vereinbart, Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen aufzunehmen, und es wurde eine „Konnektivitätspartnerschaft“ ins Leben gerufen wurde. Weitere Themen waren Menschenrechte, Sicherheitskooperation und die COVID-19 Pandemie.

Am Vortag, 7. Mai 2021, waren die Staats- und Regierungschefs im Anschluss an eine Konferenz des portugiesischen Vorsitzes zusammengekommen, um den EU-Indien-Gipfel vorzubereiten und sich informell zu aktuellen Themen im Zusammenhang mit COVID‑19 auszutauschen. Zentrale Themen waren die Herstellung und Verteilung von Impfstoffen, die Verhandlungsfortschritte beim Thema digitales grünes Zertifikat, die Frage der temporären Aussetzung des Patentschutzes bei Covid-19-Impfstoffen und die internationale Solidarität. In der Frage des Patentschutzes war die Reaktion verhalten. „Wir sind entschlossen, alles zu unterstützen, was zu einer erhöhten globalen Produktion und schnellen Bereitstellung von Impfstoffen führen kann. Kurzfristig glauben jedoch viele von uns am Tisch, dass dies keine magische Lösung ist, die alles lösen wird“, so Ratspräsident Michel im Anschluss an das Treffen. Mit Hinblick auf die internationale Solidarität stellt Michel fest, dass die EU bereits vom ersten Tag der „europaweiten Mobilisierung gegen COVID-19“ die internationale Solidarität bekräftigt habe. Die EU habe viele Ressourcen für die Forschung mobilisiert und damit zur schnellen Verfügbarkeit von Impfstoffen für die Menschheit beigetragen und nehme zudem aktiv an der COVAX-Initiative teil, um sicherzustellen, dass Impfdosen in allen Ländern der Welt verfügbar sind. Vor allem aber, so betonte Michel, exportiere die EU rund die Hälfte des Impfstoffs, der in Europa produziert werde. Dies sei ein Zeichen der Solidarität und des Engagements für die Offenhaltung der Lieferketten. „Wir ermutigen alle unsere Partner, einschließlich der impfstoffproduzierenden Länder, diesem Beispiel zu folgen, indem sie die Lieferketten schützen und aufrechterhalten und den Export ermöglichen“, so Charles Michel. (MK)

https://www.consilium.europa.eu/de/meetings/european-council/2021/05/07-08/

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