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Großbritannien nach dem Urteil des Supreme Court

Am Mittwoch, den 26. September und Donnerstag, den 27. September 2019, den Tagen eins und zwei, nachdem der Supreme Court in einem jetzt schon historischen Urteil die von der Johnson-Regierung anberaumte Zwangspause des Parlaments für unrechtmäßig und ungültig erklärt hatte, tagten die britischen Abgeordneten erstmals seit über zwei Wochen.

Am Mittwoch kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Premierminister Johnson und dem Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox einerseits sowie der Opposition um Labour-Chef Jeremy Corbyn andererseits.

Cox führte aus, dass nach seiner Auffassung der Rechtslage der Supreme Court mit seinem Urteil nicht Recht gesprochen, sondern neues Recht geschaffen habe. Es handele sich also nicht um ein Urteil, sondern um einen Gesetzgebungsakt, mithin um einen unzulässigen Eingriff der Judikative in Kernkompetenzen der Legislative.

Obwohl die Richter des Supreme Court also den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt hätten, stellte Cox klar, dass er das Urteil akzeptiere. Auf die Rückforderungen seitens der Opposition wolle er jedoch nicht eingehen. Allerdings versprach er, in den nächsten Tagen zu erwägen, ob Teile seines Gutachtens, in dem er der Regierung die Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Zwangspause bescheinigte, veröffentlicht werden. Im Übrigen griff der Generalstaatsanwalt das Unterhaus scharf an, indem er es als „Parlament der Schande“ bezeichnete und die Abgeordneten als „Truthähne, die Weihnachten nicht verhindern können“ beschrieb.

Boris Johnson forderte in seiner Rede wiederholt Neuwahlen. Bereits zweimal hatte der Premier versucht, Neuwahlen auszulösen, war jedoch an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gescheitert. Am 26. September 2019 abends rief Johnson nun die Opposition dazu auf, ihm das Misstrauen auszusprechen, wofür bereits eine einfache Mehrheit ausreichen würde. Bevor es nach einem Misstrauensvotum indes zu Neuwahlen käme, hätte die Opposition 14 Tage Zeit, eine alternative Regierung zu bilden. Angesichts der großen Zerstrittenheit auch innerhalb der Opposition gilt eine solche Einigung allerdings als sehr unwahrscheinlich. Johnson ist mit Blick auf die für ihn nach wie vor guten Umfragewerte daher offensichtlich bereit, dieses Risiko einzugehen.

Bei seinen Ausführungen vor dem House of Commons trat Johnson abermals als Populist und Demagoge auf. So bezeichnete er Oppositionelle etwa als „Feiglinge“ und bediente sich insgesamt eines militanten Vokabulars: Das No-No-Deal-Gesetz sei eine „Kapitulation“ der Abgeordneten, sie würden sich Brüssel „unterwerfen“ und seine Arbeit als Premierminister „sabotieren“. Besonders brisant war Johnsons Kontextualisierung des Mordes der 2016 von einem Rechtsradikalen getöteten Brexit-Gegnerin Joe Cox. So erklärte der Premierminister, der beste Weg, das Andenken an Joe Cox zu wahren und das Land zusammenzubringen, sei, den Brexit „durchzuziehen“.

Insbesondere für diese Aussage erntete Johnson starke Kritik von Presse und Abgeordneten. Parlamentssprecher Bercow rügte ausdrücklich die Rede- und Debattenkultur und forderte künftig mehr Respekt und Anstand im Umgang miteinander. (FP)

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