Der EuGH hat in seinem Urteil (C-646/21) die EU-Richtlinie über den internationalen Schutz für Flüchtlinge, in der die Voraussetzungen festgelegt sind, unter denen Drittstaatsangehörigen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden kann, so ausgelegt, dass die Identifikation mit einem europäischen Grundwert die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Herkunftsland begründen könne. Wenn dort deshalb Verfolgung drohe, gebe es Anspruch auf Schutz in der EU. Das gelte auch, wenn eine Frau die Überzeugung von der Gleichheit der Geschlechter im Zuge ihres Aufenthalts in einem Mitgliedsstaat angenommen hat.
Im konkreten Fall ging es um zwei Mädchen, die 2015 mit zwölf und zehn Jahren aus dem Irak in die Niederlande gekommen waren. Ihre Asylanträge wurden zweimal zurückgewiesen. Dagegen klagten sie in den Niederlanden und argumentierten, dass sie nach ihrem langen Aufenthalt in Europa die Normen, Werte und Verhaltensweisen ihrer Altersgenossen in dieser Gesellschaft angenommen hätten. Das niederländische Gericht hatte den EuGH daraufhin um Auslegung des EU-Rechts gebeten und legte ihm mehrere Fragen vor. Unter anderem fragte es, ob solche Mädchen als Mitglieder einer bestimmten sozialen Gruppe im rechtlichen Sinn anzusehen seien. Bei Anträgen auf internationalen Schutz prüfen die EU-Staaten, ob jemand im Herkunftsland verfolgt wird. Das kann bei einer sozialen Gruppe der Fall sein, die angeborene Merkmale oder eine wichtige Überzeugung teilt, wenn sie in der Gesellschaft des Herkunftslandes als andersartig betrachtet wird. (UV)
Weitere Einzelheiten auf der Website des EuGH.