Der für Handel zuständige Kommissar Phil Hogan (Irland) ist im Zuge der anhaltenden Kritik, vor allem in seinem Heimatland, am 26. August 2020 von seinem Amt zurückgetreten.
Hogan hatte im irischen Clifden an einem Golf-Dinner teilgenommen und dabei in Irland geltende Corona-Regelungen verletzt. Anschließend hatte er der Öffentlichkeit – und auch seiner Vorgesetzten, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – nur unzureichende und ausweichende Informationen zu seinem Verhalten gegeben.
Von der Leyen hatte den Vorgang lange geprüft und um weitere ausführliche Erklärungen gebeten. Als Reisender aus Brüssel hätte Hogan eine zweiwöchige Quarantäne einhalten müssen, was Augenzeugen zufolge nicht passiert war. Darüber hinaus hatte der Kommissar einer Dinner-Veranstaltung mit 80 Personen beigewohnt, obwohl zu diesem Zeitpunkt Veranstaltungen in Gebäuden mit maximal 50 Personen erlaubt waren.
Hogan bestreitet trotz Rücktritt bis heute, geltendes Recht verletzt zu haben, gibt aber an, die Reise zu bereuen. Der politische Skandal, inzwischen als „Golfgate“ bekannt, führte auch im irischen Kabinett zu Rücktritten, was den Druck auf den EU-Kommissar erhöht haben dürfte.
Ein Präzedenzfall ist Phil Hogan indes nicht. 2012 war der maltesische Kommissar John Dalli gezwungen, vom seinem Amt als Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz zurückzutreten, nachdem Vorwürfe von Bestechungsversuchen der Tabakindustrie bekannt geworden waren. Der deutsche Kommissar für Telekommunikation, Martin Bangemann hatte 1999 unmittelbar nach Ende seiner Amtszeit einen Posten in genau der Industrie übernommen, die er zuvor reguliert hatte. Sein Fall löste eine Debatte zur Verquickung von Wirtschaft und Politik aus. Bangemann bat um eine Beurlaubung für zwei Jahre (1999 – 2001) und die Kommission erließ daraufhin einen Verhaltenskodex für Kommissare, mit explizitem Anspruch auf ein ethisches Verhalten auch nach dem Ende eines Mandats.
EU-Kommissarinnen und EU-Kommissare sind angehalten, während und nach dem Amt „dieses mit Würde und Integrität zu vertreten“ und nach Ende der Amtszeit „die höchsten Standards für ethisches Verhalten“ anzulegen. So steht es im besagten Verhaltenskodex. Allerdings sieht dieser Kodex auch vor, dass Kommissare eine wichtige politische Rolle spielen und dem Europäischen Parlament (EP) gegenüber verantwortlich sind. Dieses hatte sich zum Zeitpunkt des Rücktritts mit dem Fall Hogan noch gar nicht befasst. Dem EP selbst fehlt die Autorität, einen Kommissar zu entlassen. Dies kann nur durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten der Kommission erfolgen. Allerdings kann das Parlament die Kommission als Ganzes auflösen.
Dass Kommissar Phil Hogan Grenzen überschritten hat, ist unbestritten. Der Umgang mit dem Vorfall war vom Willen und Feingefühl der Präsidentin abhängig, und damit war es auch eine persönliche Zwickmühle. Hätte sich von der Leyen loyal dem Kommissar gegenüber gezeigt, hätte sie den Druck von außen abzufedern versucht. Hätte sie einen pragmatischen Standpunkt gewählt, wäre die Entscheidung zugunsten einer glaubhaften und integren EU-Institution gefallen, mithin zum Nachteil selbst eines verdienten Kommissars. Phil Hogan hatte ihr diese Entscheidung abgenommen und öffentlich mehrfach bekräftigt, dass ihn Ursula von der Leyen nicht zum Rücktritt gezwungen hatte.
Mit Phil Hogan geht Präsidentin von der Leyen ein erfahrener Kommissar verloren. Schlimmer dürfte der Verlust von politischem Knowhow und Schlagkraft in Zeiten von Brexit-Verhandlungen für Irland sein. Im Gespräch zur Nachfolge ist neben dem ehemaligen Generalsekretär der Kommission für Handel, David O’Sullivan, auch der irische Außenminister, Simon Coveney. Die Entscheidung darüber, ob ein neuer Kommissar Irland im Handelsressort vertritt, oder ob die Ressorts neu gemischt werden, liegt bei Ursula von der Leyen. (sch)