Der von Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer Rede vorgestellte Industrieplan zur Umsetzung des Green Deal soll die Wettbewerbsfähigkeit der zum Erreichen des Null-Emissionsziel bis 2050 notwendigen Technologiebrachen stärken. Dazu sieht der Plan vier Pfeiler vor: die Überarbeitung des Regelungsrahmens, die Optimierung der Finanzierung, den Erwerb von Qualifikationen und den internationalen Handel.
Das Regelungsumfeld für die Bereiche Windenergie, Wärmepumpen, Solarenergie, sauberer Wasserstoff oder Speicherung soll so optimiert werden, dass die steigende Nachfrage nach modernen Technologien zum Erreichen der Klimaneutralität befriedigt werden kann. Hier plant die KOM die Vorlage eines „Net-Zero Industry Act“. Ähnlich wie beim Chip-Gesetzes sieht er vor, konkrete europäische Ziele für saubere Technologien in Europa bis 2030 festzulegen. Um diese zu erreichen, soll dann in strategische Projekte entlang der gesamten Lieferkette investiert werden. Gleichzeitig ist geplant zu prüfen, wie die Genehmigung neuer Standorte für saubere Technologien vereinfacht und beschleunigt werden kann.
Beim zweiten Pfeiler, der Finanzierung, sollen Anreize zu verstärkten Investitionen in die Produktion umweltfreundlicher Technologien gesetzt werden. Hier will die KOM vorschlagen, die EU-Beihilfevorschriften vorübergehend anzupassen, um Beihilfen schneller und leichter möglich zu machen. Ziel hierbei ist, gezielte Beihilfen für Produktionsanlagen in strategischen Wertschöpfungsketten für saubere Technologien zu ermöglichen und damit Verlagerungsrisiken durch drittstaatliche Subventionen entgegenzuwirken. Mittelfristig, und zwar im Rahmen der Halbzeitbilanz des EU-Haushalts, will die KOM Mitte 2023 den bereits angekündigten Europäischen Souveränitätsfonds vorbereiten. Durch ihn sollen die verfügbaren Mittel für vorgelagerte Forschungs-, Innovations- und strategische Industrieprojekte erhöht werden.
Im dritten Pfeiler geht es um den Aufbau der Kompetenzen, die für den grünen Wandel erforderlich sind. Die Fachkräfte müssen für den Einbau und die Wartung ausgebildet und geschult werden. Das angestrebte Wachstum bei den neuen Technologien ist nur mit einem enormen Zuwachs an Qualifikationen und qualifizierten Arbeitskräften in diesem Sektor möglich. Über den vierten Pfeiler, den Handel, will die KOM die zum Ausbau der sauberen Technologien notwendigen Lieferketten absichern und den europäischen Markt vor wettbewerbsverzerrenden Subventionen aus Drittstaaten schützen. Durch Handelsabkommen, etwa mit Kanada, Neuseeland, Mexiko und Chile, sollen die Kosten für die Industrie gesenkt und somit Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden. Auf der anderen Seite will die KOM aber auch gegen unlautere Praktiken vorgehen, etwa auf Basis der neuen Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten.
Konkrete Gesetztestexte liegen zu dem von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgestellten Green-Deal-Industrieplan noch nicht vor. Das Thema dürfte aber auf dem nächsten Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am 9. und 10. Februar 2023 in Brüssel im Zusammenhang mit der Reaktion Europas auf den amerikanischen Inflation-Reduction-Act diskutiert werden. (UV)