| Europäischer Rat

Informelle Tagung des Europäischen Rates in Versailles

Vom 10. bis zum 11. März 2022 trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zu einer informellen Tagung in Versailles. In der abschließenden Erklärung verurteilte der Europäische Rat die Aggressionen Russlands gegen die Ukraine und forcierte Maßnahmen zur Stärkung der Souveränität der EU.
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In der Erklärung wird Russland aufgefordert, alle militärischen Handlungen in der Ukraine zu unterlassen und die Souveränität des Staates zu achten. Der Krieg sei grundlos und ungerechtfertigt und verstoße sowohl gegen Völkerrecht als auch gegen die Grundsätze der UN-Charta. Russland und Belarus trügen hierfür die volle Verantwortung. Außerdem wurde die eingeleitete Untersuchung gegen Russland durch den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) begrüßt. Ukrainische kerntechnische Anlagen sollten umgehend durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) geschützt werden.

Außerdem wurden weitere politische, finanzielle, materielle und humanitäre Hilfeleistungen angekündigt. Kriegsgeflüchteten werde EU-weit vorübergehender Schutz gewährt. Einen besonderen Dank richteten die EU-Führungsspitzen an die EU-Nachbarstaaten der Ukraine, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge eine „enorme Solidarität“ bekundeten. Zur Unterstützung der Flüchtlinge solle auf einen schnellen Einsatz von Kohäsionsmitteln für die Flüchtlingsaufnahme in Europa über die Programme CARE und REACT-EU hingearbeitet werden. Russland wurde aufgefordert, humanitären Helfern und Helferinnen den Weg zu Opfern und Binnenvertriebenen in der Ukraine zu gewähren und der ukrainischen Zivilbevölkerung die Flucht ungehindert zu ermöglichen.

Ebenfalls erörterten die Staats- und Regierungschefs das EU-Beitrittsbegehren der Ukraine. Die Bestrebungen der Ukraine, die im Assoziierungsabkommen niedergelegt sind, wurden vom Rat anerkannt und unverzüglich an die Kommission zur Stellungnahme weitergeleitet. Auch die Beitrittsanträge der Republik Moldau und Georgiens wurden der Kommission (KOM) vorgelegt. Die erste Prüfung eines Beitrittsgesuchs durch die Kommission vor der Empfehlung der Verleihung eines Beitrittskandidatenstatus dauert in der Regel ein oder mehrere Jahre.

In der Erklärung heißt es weiter, dass die EU mit einer neuen Wirklichkeit konfrontiert werde, die von Instabilität, strategischem Wettbewerb und Sicherheitsbedrohungen geprägt sei und der die EU mit der Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, der Verringerung der Energieabhängigkeit und dem Aufbau einer robusten wirtschaftlichen Basis begegnen müsse.

Stärkung der Verteidigungsfähigkeit
Schon im Dezember 2021 plädierte der Rat für ein autonomeres, selbstbewussteres und strategischeres Vorgehen in der Verteidigungspolitik. Hierfür sei die Zusammenarbeit von EU und NATO essentiell und führe zu einem positiven Beitrag zur globalen und transatlantischen Sicherheit. Ferner wurde den Vereinten Nation als Kern einer regelbasierten Weltordnung eine stärkere Unterstützung zugesprochen.

Es müssen zum Schutz der EU-Bürgerinnen und -Bürger mehr Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit und in innovative Technologien getätigt werden. Dabei spielten strategische Enabler wie Cybersicherheit und weltraumgeschützte Konnektivitäts-systeme eine herausgehobene Rolle. Gleichzeitig sollen Synergien zwischen Zivil-, Verteidigungs- und Weltraumforschung etabliert, kritische neue Technologien und Innovationen unterstützt und Maßnahmen zur Weiterentwicklung und Stärkung der EU-Verteidigungsindustrie, einschließlich KMU, getroffen werden.

Die Staats- und Regierungschefs fordern eine Neuausrichtung der europäischen Energieversorgung. Importe von Gas, Öl und Kohle und die damit einhergehende Abhängigkeit von Energieressourcen aus Russland sollen schnellstmöglich beendet werden. Die Kommission hat zu dieser Frage am 8. März 2022 ihren REPowerEU-Plan vorgelegt.

Weiter sprach sich der Rat für eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis Europas aus. Hiernach soll die europäische Wirtschaft resilienter und wettbewerbsfähiger ausgestaltet werden, um für den grünen und digitalen Wandel gewappnet zu sein und mögliche Nachteile für europäische Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden.

Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es einer stärkeren Unabhängigkeit der EU in den folgenden Bereichen: Kritische Rohstoffe sollen künftig durch strategische Partnerschaften gesichert werden. Ferner sollen eine strategische Bevorratung sowie eine ressourceneffizientere Kreislaufwirtschaft gefördert werden. Auch im Bereich der Halbleiterversorgung soll durch Diversifizierung in den Liefer- und Wertschöpfungsketten und durch eine Weiterentwicklung der Produktionskapazitäten der EU hin zu einem Weltmarktanteil von 20 Prozent mittels des europäischen Chip-Gesetzes bis 2030 auf eine europäische Unabhängigkeit hingearbeitet werden.

Im Gesundheitssektor wird eine Unterstützung von Arzneimittelinnovationen und nachhaltiger Erzeugung avisiert. Europa soll durch eine beschleunigte Lieferantenregistrierung, Forschungsfinanzierung und den Aufbau von Produktionskapazitäten für kritische Produkte Marktführer bei biologischen Arzneimitteln werden. Die angestrebte Unabhängigkeit im Bereich der Digitalisierung solle zunächst durch Investitionen in KI, Cloud-Computing und die Einführung von 5G EU-weit und global erfolgen. Noch ausstehende digitale Rechtsakte sollen schnellstmöglich verabschiedet werden. Eine erhöhte Erzeugung pflanzlicher Proteine in der EU soll unter anderem zur einer Unabhängigkeit im Nahrungsmittelsektor beitragen.

Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs finden Sie hier. (KH)

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