| Corona-Pandemie

Jean-Claude Juncker zu Corona-Bonds und Ungarn

In einem Interview mit dem Magazin „Politico“ äußerte sich Kommissionspräsident a. D. Jean-Claude Juncker zu den aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie in der Europäischen Union. Der ehemalige Vorsitzende der Eurogruppe und frühere Premierminister Luxemburgs bedauerte, dass es im Zuge der aktuellen Verhandlungen um sogenannte „Corona-Bonds“ nicht gelungen sei, aus alten Fehlern zu lernen.

Juncker stand der Europäischen Kommission von 2014 bis 2019 vor und hatte es in dieser Zeit zu seinem Leitmotiv erklärt, den Konflikt zwischen den Nord- und Südstaaten der EU zu entschärfen sowie die Kluft zwischen Ost und West zu verringern.

In deutlichen Worten kritisierte er die schwachen bzw. gänzlich fehlenden Reaktionen der politisch Verantwortlichen in der EU auf Ungarns Notstandsgesetze, die die ungarische Regierung vorgeblich wegen der Corona-Krise erlassen hatte und Premierminister Orbán weitreichende Vollmachten einräumen. „Ich dachte, man würde das Kind beim Namen nennen […] und harte Konsequenzen androhen“ so beschrieb Juncker seine erste Erwartung.

Die erlassenen Gesetze, die Orbán das Regieren per Dekret ohne zeitliche Begrenzung ermöglichen, waren europaweit kritisiert worden. Juncker ging das allerdings nicht weit genug. Weder seine Nachfolgerin im Amt, Ursula von der Leyen, noch etwaige nationale Regierungen der Mitgliedstaaten hätten Budapest klar benannt, als sie von ihrer Sorge sprachen, dass die Corona-Pandemie zunehmend zur Gefahr für die Rechtstaatlichkeit in der EU werden könnte. Juncker sagte, in dieser Situation hätte es klarer Worte bedurft. Es hätte keine Auswirkungen auf Ungarn gehabt, aber die Verbindlichkeit der EU zur Rechtstaatlichkeit gestärkt.

Auch die mangelnde Sensibilität innerhalb der EU für die gefährliche Spaltung zwischen Nord und Süd kritisierte Juncker scharf. So hätten die Worte des niederländischen Finanzministers in Richtung Italien den alten Konflikt zwischen Nord- und Südstaaten „unnötig weiter angeheizt“. Finanzminister Wopke Hoekstra hatte die EU aufgefordert, herauszufinden, warum in manchen Mitgliedstaaten keine „Puffer“ für ökonomische Krisen vorhanden seien. „Wir haben nichts dazugelernt“, sagte Juncker.

Juncker äußerte sich anerkennend zum Finanzpaket, auf das sich die Finanzminister der EU vergangene Woche nach mühsamen Verhandlungen geeinigt hatten. Ob es ausreichend sei, darüber wolle er nicht spekulieren. Er sei jedoch der Ansicht, dass der neue Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 deutlich aufgestockt werden müsse, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Der MFR, und damit das EU-Budget, seien das „Instrument für Solidarität par excellence“, so der ehemalige Kommissionspräsident. Zum Thema „Corona-Bonds“ sagte Juncker, dass es Monate dauere, ein neues Finanzinstrument zu entwickeln und diese deshalb aktuell kein Mittel der Wahl darstellen. Dessen ungeachtet erklärte der ehemalige Vorsitzende der Eurogruppe jedoch, dass die Idee von „Euro-Bonds“ grundsätzlich nicht verworfen werden sollte.

Schließlich fand Juncker lobende Worte für die schnelle Reaktion der Kommission auf die rasanten Entwicklungen der Corona-Krise und erklärte, dass unter den gegebenen Umständen Großes geleistet worden sei. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, so Juncker, mache „einen guten Job.“ (sch)

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