Am 8. und 9. Oktober 2020 tagten die europäischen Ministerinnen und Minister für Justiz und Inneres per Videokonferenz. Zu den Themen gehörte neben dem Migrations- und Asylpaket unter anderem auch das E-Evidence-Dossier und die Europäische Staatsanwaltschaft.
Die Innenministerinnen und -minister haben die jüngsten Entwicklungen und Initiativen zur Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern in Migrationsfragen erörtert, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf Nordafrika und dem westlichen Balkan lag. Unter dem Vorsitz Deutschlands wurde eine Orientierungsaussprache über drei zentrale und miteinander verknüpfte Aspekte durchgeführt: Verfahren vor der Einreise in die EU, Verhinderung von Missbrauch des Asylsystems und Solidarität. Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres 2020 eine politische Einigung über diese Aspekte zu erreichen.
Der Rat stimmte weitgehend dem Ansatz des Vorsitzes zu, die neue Asyl- und Migrationsreform schrittweise voranzubringen. Auch die Arbeiten an der Fertigstellung wichtiger Gesetzgebungsdossiers, bei denen ein rascher Abschluss möglich erscheint, werden vorangebracht. Dabei handelt es sich um die EU-Asylagentur-Verordnung und die Eurodac-Verordnung. Eurodac ist eine Fingerabdruck-Identifizierungssystem für den Abgleich der Fingerabdruckdaten aller Asylbewerberinnen und -bewerber.
Ein Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft ist die Entwicklung einer strategischen europäischen Polizeipartnerschaft. Die Ministerinnen und Minister möchten auf EU-Ebene neue Impulse setzen und konzentrieren sich nun auf Verbesserungen der Sicherheitsarchitektur in drei Bereichen:
- Einsatz neuer Technologien wie der künstlichen Intelligenz, um aus dem ständig wachsenden Datenfluss bessere Erkenntnisse ziehen zu können;
- Verstärkung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Polizeikräften, indem der Besitzstand im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit konsolidiert und dafür Sorge getragen wird, dass Polizeibeamte mühelos in Erfahrung bringen können, welche Kooperationsinstrumente ihnen zur Verfügung stehen;
- Aufbau einer aktiven Partnerschaft mit Drittländern, in deren Rahmen gewährleistet ist, dass die EU-Mitgliedstaaten effizient zusammenarbeiten können und dabei ihren Werten treu bleiben. Allerdings seien strenge Regeln beim Austausch sensibler Informationen erforderlich.
Insbesondere die Rolle von Europol im Zentrum der Polizeizusammenarbeit soll gestärkt werden.
Im Justizteil der Sitzung unterrichtete der Vorsitz die Justizministerinnen und -minister über den aktuellen Stand bei den Gesetzgebungsvorschlägen zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen (E-Evidence-Dossier, bestehend aus der Verordnung über Europäische Herausgabeanordnung und der Sicherungsanordnung sowie der Ansprechpunkte-Richtlinie).
Ziel der Vorschläge ist es, den Zugang zu elektronischen Beweismitteln zu beschleunigen, unabhängig davon, wo sich die Daten befinden. Der Rat hatte seine Verhandlungsposition zur Verordnung im Dezember 2018 und zur Richtlinie im März 2019 festgelegt. Das Europäische Parlament (EP) hatte im November 2019 einen Berichtsentwurf veröffentlicht. Derzeit ruhen die Beratungen allerdings aufgrund der Corona-Krise.
Darüber hinaus erstattete die Europäische Kommission den Ministerinnen und Ministern Bericht über die laufenden internationalen Verhandlungen bezüglich elektronischer Beweismittel, zu denen die Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über den grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln und die Verhandlungen im Europarat über ein Zweites Zusatzprotokoll zum Budapester Übereinkommen gehören.
Die Kommission und die Europäische Generalstaatsanwältin informierten den Rat über den Stand der Umsetzung der Verordnung über die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA). Es ist vorgesehen, dass die EUStA bis Ende 2020 vollständig aufgebaut ist und ihre Arbeit aufnehmen kann. Zurzeit besteht zwischen der Kommission und dem Rat noch Abstimmungsbedarf in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen der delegierten Staatsanwälte (im Hinblick auf die Frage, ob diese in doppelter Funktion, also sowohl auf Ebene des Mitgliedstaats als auch auf Ebene der EU, tätig sein können sowie zur Sozialversicherungspflicht).
Zum Thema „Zugang zur Justiz - Nutzung der Chancen der Digitalisierung“ haben die Ministerinnen und Minister ihre politische Unterstützung für den Entwurf von Schlussfolgerungen ausgesprochen. Darin dem Entwurf von Schlussfolgerungen werden die Mitgliedstaaten dazu ermutigt, die digitalen Instrumente für den gesamten Verlauf von Gerichtsverfahren stärker zu nutzen und die Kommission aufgefordert, bis Ende 2020 eine umfassende EU-Strategie für die Digitalisierung der Justiz auszuarbeiten. Ferner wird darin festgestellt, dass digitale Kompetenzen im Justizwesen gefördert werden müssen, damit Richter, Staatsanwälte, Justizbedienstete und andere Angehörige der Rechtsberufe digitale Technologien und Instrumente wirksam und unter gebührender Achtung der Rechte und Freiheiten der Personen, die sich an die Justiz wenden, nutzen und anwenden können. Diese Schlussfolgerungen müssen nun auf einer der nächsten Ratstagungen formell gebilligt werden. Im Rahmen der Diskussion hat die Kommission für Anfang 2021 einen Rechtsakt zur elektronischen Identität angekündigt.
Nach einer Präsentation der Europäischen Kommission erörterten die Ministerinnen und Minister die justiziellen Aspekte der jüngsten EU-Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, insbesondere in Bezug auf die Vorbeugung und den Opferschutz. Sie bekundeten außerdem ihre breite Unterstützung für die Strategie der Kommission. Die Beratungen konzentrierten sich auf zwei Fragen: zum einen die Rolle von Internetunternehmen und ihre mögliche Verpflichtung, Darstellungen von sexuellem Missbrauch von Kindern aufzudecken, zu melden und zu entfernen, und zum anderen, wie Opfer besser in die Lage versetzt werden können, die Entfernung von Bildern zu fordern und zu erreichen. (CM/UV)