Der Rat verständigte sich auf einen gemeinsamen Standpunkt zur Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Diese Richtlinie bildet den entsprechenden „justiziellen“ Teil der Verordnung über die Entfernung solcher Inhalte aus dem Netz, zu dem der Rat Inneres am 12. Dezember 2024 erneut keine Einigung erzielen konnte. Die überarbeiteten Regeln erweitern die Definition von Straftaten und gewährleisten, dass alle Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern – einschließlich derer, die durch neue Online-Instrumente ermöglicht werden – unter Strafe gestellt werden. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, den Straftatbestand des Livestreaming von sexuellem Kindesmissbrauch unter Strafe zu stellen, zu untersuchen und zu verfolgen. Realistische Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch werden in die Definition des Straftatbestands aufgenommen, um insbesondere auf das zunehmende Aufkommen von Deepfake- oder KI-generiertem Missbrauchsmaterial zu reagieren. Darüber hinaus führte der Rat den Straftatbestand der Erteilung von Anweisungen zum sexuellen Missbrauch und zur sexuellen Ausbeutung von Kindern oder zur Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke ein.
Zur neuen europäische Richtlinie zur Verhinderung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten durch Harmonisierung der Strafen verständigte sich der Rat auf einen Standpunkt. Ziel des Vorschlags ist die Angleichung der strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten in Fragen wie der Definition und Bestrafung der Schleusung von Migranten. Nach dem angenommenen Text müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass nach ihrem nationalen Recht die vorsätzliche Unterstützung eines Drittstaatsangehörigen bei der Einreise, bei der Durchreise oder beim Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU als Gegenleistung für finanzielle oder materielle Vorteile eine Straftat darstellt. Was die Strafen anbelangt, so müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um den Straftatbestand der Schleusung von Migranten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren zu ahnden. Die Höchststrafen müssen auf mindestens acht Jahre erhöht werden, wenn die Menschenschmuggler als Teil einer kriminellen Vereinigung handeln oder wenn sie schwere Gewalt gegen Migranten anwenden. Wenn die Straftat den Tod eines Migranten zur Folge hat, sollte die Höchststrafe mindestens zehn Jahre betragen. Die Mitgliedstaaten können jederzeit beschließen, längere Höchststrafen zu verhängen. Für Deutschland machte Justiz-Staatssekretärin Angelika Schlunck deutlich, dass das Ziel der Richtlinie unterstützt und der allgemeinen Ausrichtung zugestimmt werde, gleichzeitig aber Klarheit und Rechtssicherheit im Hinblick auf die humanitäre Hilfe bestehen müsse. Deutschland habe deshalb in einer Protokollerklärung zum Ausdruck gebracht, dass der Text der Richtlinie keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten enthalte, humanitäre Hilfe unter Strafe zu stellen.
Außerdem verabschiedete der Rat eine partielle allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts. Der Text deckt vier Bereiche ab: Maßnahmen zum Schutz der Insolvenzmasse, Maßnahmen der Unternehmensleitung im Falle der Insolvenz, Aufspüren von Vermögenswerten und Transparenzpflichten. Die Richtlinie ist eine der Maßnahmen der EU zur Schaffung der Kapitalmarktunion, die als wesentlich für die Steigerung der Attraktivität für Investoren angesehen wird. Mit dem verabschiedeten Text wird jeder Mitgliedstaat ermächtigt, Gerichte oder Verwaltungsbehörden zu benennen, die den Zugang von Insolvenzverwaltern zu den nationalen Bankkontenregistern erleichtern können. Darüber hinaus werden die Pflichten von Geschäftsführern dahingehend harmonisiert, dass sie innerhalb von drei Monaten Insolvenz anmelden müssen, es sei denn, sie ergreifen Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger. Der ungarische Justizminister, Bence Tuzson, bezeichnete als Ratsvorsitz den Kompromiss als einen guten Text, mit dem die Bestimmungen so weit wie möglich vereinfacht würden, während der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bewahrt bliebe. Trotz der erzielten Fortschritte wies die estnische Justizministerin Liisa-Ly Pakosta, die den Text unterstützte, auf das Fehlen von vereinfachten Verfahren zur Senkung der Kosten für kleine Unternehmen hin. Der polnische Justizminister Adam Bodnar, dessen Land im Januar 2025 die Nachfolge Ungarns als Ratspräsident antreten wird, erklärte, er wolle bis Juni 2025 eine Einigung zum Gesamttext erreichen.
In einer ausführlichen Diskussion debattierte der Rat die Zukunft des europäischen Strafrechts und hier insbesondere die Frage, ob eine mögliche Konsolidierung des Rechtsrahmens für die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen wünschenswert wäre. Der Rat war sich einig, dass der wirksamen Anwendung der bestehenden Instrumente Vorrang eingeräumt werden sollte. Alle neuen Vorschläge für neue Rechtsvorschriften müssen mit dem bestehenden Rechtsrahmen vereinbar sein. Zwei Berichte des Vorsitzes wurden als Leitfaden für die weitere Arbeit vorgelegt: einer über Musterbestimmungen im europäischen Strafrecht und der andere über die allgemeinen strategischen Leitlinien für die Zukunft dieses Rechts. Hier herrschte Einvernehmen darüber, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen wollen, dass in den wichtigsten Bestimmungen des europäischen Strafrechts zumindest einige standardisierte Textelemente verwendet werden. Die Arbeit an unverbindlichen Musterbestimmungen sollte fortgesetzt werden, um zu einem gemeinsamen Verständnis mit den anderen EU-Organen zu gelangen.
Darüber hinaus verabschiedete der Rat Empfehlungen für strategische Leitlinien im Justizbereich, die vom Europäischen Rat am 19. Dezember 2024 angenommen wurden und die die politische Planung zur Verwirklichung eines Raums des Rechts für die nächsten Jahre darstellen. Sie enthalten viele Referenzen zu Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Darüber hinaus werden wichtige Aspekte wie die Digitalisierung der Justiz, der Nutzung von KI sowie die Arbeit von Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft im Bereich Strafrecht erwähnt. Weitere Themen sind die Unterstützung der Ukraine, die Gewährleistung des Datenschutzgrundrechtes sowie die Interoperabilität der IT-Systeme. (UV)
Weitere Informationen sind auf der Internetseite des Rates zur Sitzung abrufbar.