Zu Beginn der Sitzung erörterte der Rat die Bekämpfung der Straflosigkeit im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen in der Ukraine. Thema war die bestmögliche Unterstützung der Arbeit des Sondergerichtshofs, der in Kürze unter der Schirmherrschaft des Europarats eingerichtet wird. Für die polnische Ratspräsidentschaft betonte Justizminister Adam Bodnar die bereits ergriffenen vielfältigen Maßnahmen. Justizkommissar Michael McGrath erklärte, dass die Intensivierung der Bekämpfung der Straflosigkeit eine Priorität ihres neuen Mandats sei.
So werde die Europäische Kommission (KOM) einen besonderen Fokus auf die Beteiligung der EU an der Kommission für Entschädigungsansprüche legen. Diese wird für die Überprüfung und Bewertung der im Schadensregister eingetragenen berechtigten Forderungen sowie für diesbezügliche Entscheidungen zuständig sein und die Höhe der jeweils fälligen Entschädigung bestimmen. Daneben hob Kommissar McGrath die Arbeit der Core Group zur möglichen Errichtung eines Sondertribunals zur Verfolgung des sogenannten Verbrechens der Aggression hervor – ein auf dem in der UN-Charta verankertem Gewaltverbot basierender Straftatbestand, der im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs festgelegt ist. Mit ihm wird die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die u.a. gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist, unter Strafe gestellt.
Einige Mitgliedstaaten äußerten ihre Besorgnis wegen der Sanktionen der USA gegen den Internationalen Strafgerichtshof. Es müsse sichergestellt werden, dass dieser seine wichtige Arbeit fortführen könne. Andere sprachen sich für möglichst schnelle Fortschritte bei der Errichtung des Sondertribunals aus. Es sei notwendig, dass die Core Group sich im März 2025 über die technischen Punkte zur Errichtung eines Sondertribunals einige, damit das Thema im Anschluss auf die politische Ebene gehoben werden könne.
Im Zusammenhang mit der Annahme der Ratsschlussfolgerungen zum Grundrechtecharta-Bericht der Europäischen Kommission für 2024 führte der Rat einen Meinungsaustausch über die Finanzierungen zum Schutz und zur Förderung von Grundrechten und Demokratie unter Anwesenheit der Direktorin der EU‑Grundrechteagentur, Sirpa Rautio, durch. Mit Blick auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen sprach sie sich für die Grundrechtecharta als Kompass zum Schutz der gemeinsamen Werte, für starke und resiliente Grundrechtsstrukturen und einen Ausbau der finanziellen Förderung für Grund- und Menschenrechte aus. In den verabschiedeten Schlussfolgerungen geht es vor allem darum, wie die Finanzierung die Grundrechte fördern, schützen und durchsetzen kann. Es wird darin betont, dass zivilgesellschaftliche Organisationen besonders wichtig sind, um sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger der EU in den Genuss der in der Charta verankerten Grundrechte kommen, und dass EU-Mittel für die Wahrnehmung dieser Rechte von entscheidender Bedeutung sind. Ferner wird hervorgehoben, dass diese Finanzierung mit den einschlägigen Vorschriften und Verpflichtungen im Einklang stehen müsse.
In einer Orientierungsaussprache beriet der Rat über einen Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts. Diese Initiative, die Teil des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion ist, zielt darauf ab, den rechtlichen Rahmen für grenzüberschreitende Investoren zu vereinfachen, die mit unterschiedlichen nationalen Regelungen konfrontiert sind. Schwerpunkt bildete dabei die Einführung vorverhandelter Übertragungsverfahren, sogenannter „Pre-Pack-Verfahren“, in allen Mitgliedstaaten. Ziel ist es, den Verkauf eines Unternehmens in Schwierigkeiten zu organisieren, bevor ein Pre-Pack-Verfahren förmlich eröffnet wird, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und den Wert für die Gläubiger zu maximieren. Im Zentrum der Debatte stand die automatische Übertragung erfüllter Verträge vom Schuldner auf den Käufer, ohne Zustimmung der Gegenpartei des Schuldners. Der deutsche Justizminister Volker Wissing wandte sich gegen die automatische Übertragung von Verträgen mit der Begründung, dass die Freiheit derjenigen, die ihren Vertragspartner wählen wollen, geschützt werden sollte. Er wies auch darauf hin, dass bei der Übertragung von Verträgen und Rechtsverhältnissen im Rahmen eines Verkaufs die wirtschaftlichen Ergebnisse die gleichen sind wie bei einer Umstrukturierung. Die betroffenen Parteien erhalten jedoch nicht die gleichen Garantien. Der Mechanismus gefährdet auch die Rechte der Arbeitnehmer, insbesondere im Falle von Unternehmensübertragungen. Der Ständige Vertreter Belgiens bei der EU, Peter Moors, verteidigte jedoch die automatische Übertragung von Verträgen. Es sei wichtig, dass Verträge, die für die Fortführung des Unternehmens notwendig sind, automatisch übertragen würden. Die automatische Übertragung ist das Herzstück des Pre-Pack-Verfahrens. Die polnische EU‑Ratspräsidentschaft betonte, sie wolle die technischen Arbeiten fortsetzen, um einen abschließenden Kompromiss zu diesem Text zu finden, über den im Dezember 2024 eine partielle politische Einigung erzielt worden war.
Darüber hinaus unterrichtete die KOM den Rat über den Sachstand in Bezug auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Cyberkriminalität. Der endgültige Wortlaut des Übereinkommens wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 24. Dezember 2024 angenommen. Damit die EU das Übereinkommen unterzeichnen kann, muss der Rat einen noch zu fassenden Beschluss annehmen. Dieser Beschluss des Rates bedarf auch der Zustimmung des Europäischen Parlaments.
Weiterer Informationspunkt der KOM war die Entwicklung der Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Abkommen über elektronische Beweismittel, und der Vorsitz informierte den Rat über die Folgemaßnahmen zu den unter belgischem Vorsitz gebilligten Schlussfolgerungen zur Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. (UV)
Weitere Informationen zur Sitzung des Rates Justiz sind hier abrufbar.