Wegen der mutmaßlichen Diskriminierung nicht-heterosexueller Menschen hat die Kommission am 15. Juli 2021 Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Polen eingeleitet. Die Gleichheit und die Achtung der Würde und der Menschenrechte sind Grundwerte der EU, die nach Auffassung der Kommission in den beiden Staaten nicht umfassend garantiert würden. Sie plant deshalb, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen, um diese Werte zu verteidigen.
Im Fall Ungarns geht es um ein neues Gesetz, das Publikationen verbietet, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Konkret moniert die Kommission den Verstoß gegen mehrere EU-Gesetze. So werde beispielsweise der Grundsatz des freien Empfangs und Weiterverbreitung grenzüberschreitender audiovisueller Mediendienste nach der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) nicht beachtet, da Ungarn ungerechtfertigte Beschränkungen eingeführt habe. Außerdem verstießen einige der angefochtenen Bestimmungen gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (insbesondere das Herkunftslandprinzip). Das Gesetz verbiete die Erbringung von Dienstleistungen, die unterschiedliche sexuelle Ausrichtungen für Minderjährige darstellen, selbst wenn diese Angebote aus anderen Mitgliedstaaten stammen. Viele Mitgliedstaaten und auch die Kommission sehen das ungarische Gesetz deshalb als diskriminierend an. Ungarn weist die Vorwürfe hingegen zurück. Aus Sicht der Regierung sorgt es nur dafür, dass aus Gründen des Schutzes Minderjähriger Eltern allein darüber entscheiden können, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollen.
Im Fall von Polen geht die Kommission davon aus, dass die polnischen Behörden nicht angemessen auf ihre Untersuchung zu sogenannten LGBT-freien Zonen reagiert hätten. Diese waren von mehreren polnischen Regionen und Gemeinden geschaffen worden. Die Abkürzung LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und andere nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Die Kommission geht davon aus, dass die LGBT-freien Zonen diskriminierend sind und Polen womöglich gegen EU-Recht verstoße.
Die beiden Mitgliedstaaten haben jetzt zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die Kommission beschließen, ihnen eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln und sie in einem weiteren Schritt vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. (UV)