Aus dem am 8. Juli 2021 von der Kommission veröffentlichten Justizbarometer 2021 geht ein deutlicher Digitalisierungsbedarf bei den Justizsystemen der Mitgliedstaaten hervor. In dem jährlich erstellten Überblick untersucht die Kommission Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen Mitgliedstaaten. Im Mittelpunkt des diesjährigen Justizbarometers stand die Digitalisierung, die es der Justiz ermöglicht hat, ihre Arbeit während der Covid-Pandemie fortzusetzen.
Das Justizbarometer liefert erstmals eine Bestandsaufnahme, wie weit die digitale Transformation in den Justizbehörden fortgeschritten ist. Die Ergebnisse zeigen, dass in fast allen Justizsystemen Videokonferenzsysteme genutzt werden und dass das Personal in den allermeisten Mitgliedstaaten geschützt im Homeoffice arbeiten kann. Was die Nutzung digitaler Lösungen wie Blockchain oder künstliche Intelligenz anbelangt, so werden diese von den meisten Mitgliedstaaten bereits genutzt, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Auch in Deutschland war es für Bedienstete, Richter und Staatsanwälte in den überwiegenden Fällen möglich, sicher von zu Hause aus zu arbeiten. Künstliche Intelligenz wird nur zum Teil eingesetzt; Blockchain gar nicht.
In zwei Dritteln der Mitgliedstaaten hat sich die Unabhängigkeit der Justiz seit 2016 nach Ansicht der Öffentlichkeit verbessert. Jedoch ist im Vergleich zum Vorjahr festzustellen, dass in etwa zwei Fünfteln der Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der Justiz skeptischer beurteilt wird. Der am häufigsten genannte Grund für die als unzulänglich wahrgenommene Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern ist Einmischung bzw. der Druck durch Regierungen und Politiker. Am besten schneiden in Bezug auf dieses Kriterium gemäß der Eurobarometer-Umfrage Österreich, gefolgt von Finnland und Deutschland, ab. Am schlechtesten werden Polen, die Slowakei und Ungarn beurteilt. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen hier eine Einmischung der Politik; in Ungarn sogar mehr als zwei Drittel.
Bezüglich der Unabhängigkeit der obersten nationalen Gerichte enthält das Justizbarometer 2021 zwei neue Indikatoren, die einen Überblick über die Stellen und Behörden geben, die an der Ernennung von Richtern an den obersten Gerichten beteiligt sind. Als letztinstanzliche Gerichte sind die obersten Gerichte von entscheidender Bedeutung für die einheitliche Anwendung des Rechts in den Mitgliedstaaten. Diese müssen das Ernennungsverfahren so gestalten, dass richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet sind. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Richter nach ihrer Ernennung bei der Ausübung ihres Amtes keinem Druck ausgesetzt sind und keinen Weisungen der Ernennungsbehörde unterliegen. Dieser Überblick dient primär der Orientierung.
Die im EU-Justizbarometer enthaltenen Angaben tragen zum Monitoring im Rahmen des Europäischen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bei und fließen in den jährlichen Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit ein. (UV)