Die im Vorverfahren beteiligten Interessensträger, wie beispielsweise die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen sowie die Mitgliedstaaten, konnten ihre Anmerkungen bis zum 21. Januar 2022 übermitteln. Nach offizieller Verabschiedung durch die Kommission haben Rat und Europäisches Parlament (EP) nun Zeit über den delegierten Rechtsakt zu beraten und diesen gegebenenfalls abzulehnen. Inhaltliche Änderungen können durch diese Institutionen jedoch nicht vorgenommen werden.
Der Rat hat das Recht, ihn mit verstärkter qualifizierter Mehrheit abzulehnen. Das bedeutet, dass mindestens 72 Prozent der Mitgliedstaaten (mindestens 20 Mitgliedstaaten), die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU vertreten, ein solches Anliegen verfolgen müssten. Das EP kann den Rechtsakt mit einer Mehrheit (mindestens 353 Abgeordnete) im Plenum ablehnen Für diese Beratungsphase stehen den Ko-Gesetzgebern vier Monate mit einer Verlängerungsoption um zwei weitere Monate zur Verfügung.
Rat und EP verständigten sich innerhalb der Taxonomie-Verordnung darauf, der Kommission die technische Umsetzung der Taxonomie-Verordnung in Form delegierter Rechtsakte zu überlassen. Neben den in der Taxonomie-Verordnung genannten sechs Umweltzielen (Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme) obliegt der Kommission hierdurch die Aufgabe, die konkreten wirtschaftlichen Tätigkeiten zu benennen, die als ökonomisch nachhaltige Tätigkeiten im Sinne der Taxonomie-Verordnung angesehen werden können.
Dies muss immer unter der Prämisse erfolgen, dass die im delegierten Rechtsakt benannte Tätigkeit zur Verwirklichung mindestens eines der genannten Umweltziele wesentlich beiträgt und gleichzeitig kein weiteres Ziel beeinträchtigt. Ebenfalls muss die Tätigkeit unter Einhaltung eines Mindestschutzes – u.a. mit Blick auf die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen – ausgeübt werden und den in den delegierten Rechtsakten festgelegten technischen Bewertungskriterien entsprechen. Bislang hat die Kommission zur Taxonomie-VO einen delegierten Rechtsakt vorgelegt, der sich – wie der nun verabschiedete – auch auf die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ bezieht und einen Katalog an ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten umfasst. Dieser Rechtsakt ist Ende Dezember 2021 in Kraft getreten.
Die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Tätigkeiten im Bereich der Kernenergie und des Erdgases stößt auf deutliche Kritik aus den Reihen der Mitgliedstaaten und zunehmend auch aus dem EP. So übersandten am 31. Januar 2022 Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande ein Schreiben an die Kommission, in dem sie die Herausnahme von Erdgas aus dem Rechtsakt forderten, solange diese Aktivitäten nicht den gleichen Standards unterliegen wie andere, in der Taxonomie benannte Energietechnologien, nämlich dem Schwellenwert von 100 Gramm CO2 e/kWh.
Zur Frage der Kernenergie bestehen ebenfalls unterschiedliche Auffassungen. So übermittelten Schweden und Finnland am 1. Februar 2022 ein Schreiben, indem sie die strikten Bedingungen (Entsorgung, Fristen, Laufzeiten) zur Einbeziehung der Kernenergie kritisierten. Die Bundesregierung hat ihren Standpunkt ebenfalls der Kommission zugeleitet und sich grundsätzlich gegen die Einbeziehung von Kernenergie ausgesprochen, hingegen Erdgas als Übergangstechnologie unter Bedingungen befürwortet. Aus dem EP werden die Stimmen, die eine Ablehnung dieses delegierten Rechtsaktes befürworten, fraktionsübergreifend lauter. Als Argumente werden die Unglaubwürdigkeit europäischer Klimapolitik sowie die Kompetenzüberschreitung der Kommission in diesem Bereich vorgebracht. Die EU-Taxonomie stellt ein Vehikel zur Klassifikation von ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeit und zur Steuerung von Kapitalflüssen dar. Die Einführung dieses Klassifikationsinstruments geht auf den EU-Aktionsplan zu „Sustainable Finance“ zurück und hat zum Ziel, einheitliche Kriterien dahingehend zu schaffen, was als ökologisch nachhaltige Tätigkeit anzusehen und wie dieses Kriterium zu bestimmen ist.
Die Pressemitteilung der Kommission finden Sie hier. (AR)