Worum geht’s?
Am 14. Januar 2020 stellte die Kommission ihre Ausgestaltungspläne für die Förderung nachhaltiger Investitionen (Sustainable Europe Investment Plan) und den Mechanismus für einen gerechten Übergang (Just Transition Plan) gegenüber dem Europäischen Parlament in Straßburg vor. Diese stellen zentrale Umsetzungsinstrumente des European Green Deal dar, der das Ziel der europäischen Klimaneutralität bis 2050 mit nachhaltigem wirtschaftlichem Fortschritt in Einklang bringen soll. Die vorgestellten Instrumente sollen helfen, die Kosten und sozialen Folgen abzufedern, die auf kohlenstoffintensive Industrien angewiesene Regionen bei der Umstellung auf umweltfreundliche Alternativen zukommen. Betroffen sind über hundert Regionen und ihre rund 250.000 Beschäftigten, insbesondere in den Sektoren des Kohle- und Torfabbaus sowie der Schieferölgewinnung und Stahlproduktion. Darüber hinaus soll das Geld in den Aufbau sauberer und eine Kreislaufwirtschaft unterstützender Industrien, aber auch in die Anpassung von Haushalten und Infrastruktur fließen. Somit werden also z.B. Umschulungsmaßnahmen für Arbeitnehmer, Baumaßnahmen für mehr Energieeffizienz, E-Mobilität und die Ansiedelung klimafreundlicher Unternehmen gefördert.
Der Plan zur Förderung nachhaltiger Investitionen
Der Investitionsplan für nachhaltige Investitionen hat die Funktion, Fördermittel für die Energiewende und Kreislaufwirtschaft zu mobilisieren, einen unterstützenden Rahmen für private Investitionen zu schaffen und die öffentliche Verwaltung und andere Projektplaner bei der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Projekte zu unterstützen. Der Plan bildet dabei den allgemeinen Rahmen zur Finanzierung des Green Deal, der laut Kommission insgesamt mehr als 1.000 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Fördermitteln bis 2030 mobilisieren soll. Dies möchte Präsidentin Ursula von der Leyen erreichen, indem mindestens ein Viertel des künftigen EU-Budgets in klima- und umweltgebundene Maßnahmen fließen soll, während das Investitionsprogramm InvestEU und die Europäische Investitionsbank (EIB) weitere Mittel und Garantien beisteuern: 250 Mrd. Euro soll allein die EIB nach Angaben der Kommission bis 2030 mobilisieren. Die Kommission baut darauf, dass das Mitziehen privater Investoren das Gesamtvolumen auf das Billion-Ziel hebeln wird.
Kernstück des Investitionsplans: Instrumente für einen gerechten Übergang
Teil des Investitionsplans sind die Instrumente für einen gerechten Übergang, die sich gezielt an vom Strukturwandel betroffene Regionen richten. Diese umfassen neben einem Investitionsprogramm von InvestEU (in Anlehnung an den Juncker-Plan) und einer neuen EIB-Fazilität für öffentlichen Kredit vor allem den Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fonds). Er soll innerhalb des Budgets für Regionalpolitik des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 eingerichtet werden, ergänzt durch 7,5 Mrd. Euro an zusätzlichen, im ursprünglichen Haushaltsentwurf noch nicht vorgesehenen Mitteln. Diese 7,5 Mrd. Euro sollen durch Verschiebungen von Geldern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und dem Europäischen Sozialfonds Plus in Kombination mit Ko-Finanzierungsmitteln der Mitgliedstaaten nach den Kohäsions-Regeln ergänzt werden. Die auf diese Weise anvisierten 30 bis 50 Mrd. Euro bis 2027 sollen mit den anderen beiden Pfeilern insgesamt ein Volumen von 100 Mrd. Euro für den Anpassungsprozess ergeben. Mit anderen Worten: Die Gesamtfinanzierung von einer. 1.000 Mrd. Euro zur Förderung nachhaltiger Investitionen soll sich wie folgt zusammensetzen: rund 500 Mrd. aus dem EU-Haushalt (durch die Neuausrichtung oder „Neuverpackung“ bestehender Mittel), etwa 25 Mrd. durch den EU-Emissionshandel, ca. 280 Mrd. von privaten Investoren im Rahmen des InvestEU-Programms, 115 Mrd. durch nationale Ko-Finanzierung und weitere 100 Mrd. (bis 2027 bzw. rund 145 Mrd. bis 2030) aus dem Mechanismus für einen gerechten Übergang.
Wer soll das bezahlen? Von nationalen Beiträgen zum EU-Haushalt…
Dass dieses Ziel tatsächlich erreicht wird, bezweifeln einige Beobachter, denen zufolge die 7,5 Mrd. Euro an frischem Geld innerhalb des Mehrjährigen Finanzrahmens für eine erfolgreiche Energiewende vollkommen unzureichend sind. Laut Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, könnten auf Sand gebaute Versprechen die Enttäuschung der Bürger und damit den Euroskeptizismus verstärken. Er betonte, dass es zur Finanzierung nicht nur ökologische Steuern als neue EU-Eigenressource, sondern auch Mitgliedstaaten brauche, die zusätzliche Beiträge zur Verfügung stellten und das Eigenkapital der Europäischen Investitionsbank erhöhten. Genau hieran könnte der Plan jedoch scheitern: Das deutsche Bundesfinanzministerium etwa hat einer solche Steigerung und höheren nationalen Beiträgen zum EU-Haushalt in seiner Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Franziska Brantner jüngst eine Absage erteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich öffentlich zu den Klimazielen und den hierfür nötigen Investitionen bekannt. Beobachter halten diese Linie allerdings für verhandelbar - spätestens mit dem Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft im Juli und den an sie gerichteten Erwartungen einer Einigung um den mehrjährigen EU-Haushalt.
Die Zukunft des Finanzierungsplans ist also abhängig von der nach wie vor geführten Debatte um den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027. Hier stehen der Kommissionsforderung von 1,11 Prozent des jeweiligen Bruttonationaleinkommens - auch zur Finanzierung des Green Deal - Verfechter von 1,0 Prozent unter den Mitgliedstaaten gegenüber (wie Deutschland und Österreich). Zwar werde die Kommission ihren ursprünglichen Haushaltsentwurf angesichts der bereits laufenden Verhandlungen nicht überarbeiten, jedoch gehe sie davon aus, dass die Anforderungen zur Finanzierung des gerechten Übergangs bei der Aushandlung des Gesamtvolumens berücksichtigt werde.
…zu Hebelwirkung und Umschichtung
In jedem Fall steht für einige Stakeholder fest, dass Gelder in keinem Fall umgeschichtet, sondern zusätzlich generiert werden müssen. Guntram Wolff vom Brüsseler Think Tank Bruegel teilte dpa mit: „Die Hebelzahlen halte ich für illusorisch. Man braucht viel mehr echtes Geld.“ Vor allem der Widerstand gegen eine Umschichtung oder Kürzung der Kohäsionsfonds zugunsten des gerechten Übergangsfonds ist groß (Gegner sind etwa Viktor Orbán und die CohesionAlliance aus Regional- und Lokalvertretern, aber auch Regional-Kommissarin Elisa Ferreira). Bislang war von dem gerechten Übergangsfonds im Kohäsionsposten des Haushaltsentwurfs für 2021-2027 keine Rede.
Wer profitiert?
Anders als die Finanzierung ist der Bedarf unumstritten. Zu den Betroffenen des Strukturwandels zählen vor allem die durch den Kohleabbau geprägten Regionen Polens (Schlesien), Tschechiens oder auch die sächsische Lausitz und das rheinische Braunkohlerevier. Für Polen könnte dies zusätzliche Mittel in Höhe von ca. 2 Mrd. Euro bedeuten. Die deutschen Kohleregionen würden mit ca. 880 Mio. Euro ebenfalls stark profitieren. Grundsätzlich sollen alle (zukünftig) 27 Mitgliedstaaten profitieren - die Verteilung der Mittel richtet sich jedoch neben dem technischen Ausmaß des regionalen Wandels und dem Gewicht der damit verbundenen sozialen Folgen auch nach der wirtschaftlichen Entwicklung und den Investitionskapazitäten des jeweiligen Staates. Da die Länder nach den Kohäsionsregeln zur Ko-Finanzierung angehalten sind, werden wohlhabende Staaten wie Deutschland an entsprechenden EU-Förderprojekten einen höheren Eigenanteil leisten müssen.
Andere Länder wie Griechenland, das sich von der Braunkohle abwenden möchte, oder auch Polen haben ihren Anspruch bereits angemeldet. Allerdings könnte das zentraleuropäische Land trotz seiner Kohleabhängigkeit weitgehend leer ausgehen, sollten die Investitionen an die Kriterien der Energieeffizienz und eines nachhaltigen Strukturwandels und damit an die EU-Klimaziele (u.a. Klimaneutralität bis 2050) geknüpft werden (so etwa die Forderung Macrons), denen sich Polen bisher nicht verschrieben hat. Im Dezember 2019 hatte die Regierung noch verkündet, sie brauche mehr Garantien über eine ausreichende Finanzierung der Umstrukturierung, um sich dem Klimakampf anzuschließen.
Nach welchen Kriterien wird gefördert?
Um sich für eine Förderung zu qualifizieren, müssen die Staaten jeweils territoriale Pläne für einen gerechten Übergang vorlegen, die jeweils ihre meistbetroffenen Regionen ausweisen. Umstritten war im Vorfeld, ob eine Verlagerung auf Atomenergie als klimafreundlicher Beitrag aufgefasst werden könne. Eine solche Förderung im Rahmen des gerechten Übergangsfonds hat die Kommission mit ihrem Vorstoß nun ausgeräumt. Die finanzielle Unterstützung für konkrete Projekte muss jeweils einzeln beantragt werden und unterliegt einem festgelegten Überprüfungssystem, um die Nachhaltigkeit der Projekte sicherzustellen.
Wie unterstützt die Kommission bei der Projektfindung?
Um zu gewährleisten, dass sich ausreichend Projektideen im Sinne des Green Deal finden und dass diese erfolgreich umgesetzt werden können, möchte die Kommission Verwaltung, Projektträgern und Investoren aktiv zur Seite stehen. Dies soll über mehrere Programme und Plattformen geschehen: Ein Unterstützungsprogramm für Strukturreformen zielt darauf ab, Mitgliedstaaten bei der Gestaltung und Verwirklichung wachstumsfördernder Reformen technisch unter die Arme zu greifen. Projektförderer sollen über den „InvestEU Advisory Hub“ Unterstützung erhalten. Eine Plattform für den gerechten Übergang soll schließlich bei der Entwicklung abfedernder Projekte in den meistbetroffenen Regionen helfen, nachdem die Kommission den EU-Mitgliedstaaten zunächst beim Erstellen der nationalen Pläne für einen gerechten Übergang beigestanden hat. (JBl/CM)