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Kommissionspräsidentin von der Leyen hält „State of the Union“-Rede

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am 10. September 2025 ihre jährliche „State of the Union“-Rede im Europäischen Parlament in Straßburg gehalten. Es war ihre fünfte Rede dieser Art und ihre erste in ihrer zweiten Amtszeit. Das Format ist vor 15 Jahren auf europäischer Ebene eingeführt worden und markiert den formalen Höhepunkt im Austausch zwischen der Kommissionsspitze und den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes. Es ist der „State of the Union“-Rede des US-Präsidenten nachempfunden, die bereits seit 1790 alljährlich in den Vereinigten Staaten gehalten wird.
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Die Kommissionspräsidentin setzte diesmal deutlicher auf Krisenbewältigung als auf neue Zukunftsvisionen. Dies zeigte sich bereits an ihren einleitenden Worten, mit denen sie ein düsteres Szenario skizzierte, in dem sie die „Welt von heute“ als „gnadenlos“ bezeichnete. Europa müsse mehr denn je geeint sein und geschlossen handeln. Europa kämpfe „einen Kampf für Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit“. Außenpolitisch (Ukraine und Gaza) verkündete sie neue Maßnahmen der EU. Europapolitisch beschränkte sie sich überwiegend auf die Nennung bereits bekannter Initiativen und berichtete von den Fortschritten in den jeweiligen Politikfeldern. 

Sie ging auch kurz auf die russischen Drohnenangriffe gegen Polen in der Nacht zum 10. September 2025 ein. Es handele sich um eine „rücksichtslose Verletzung des Luftraums". Die Kommissionspräsidentin sicherte Polen die volle Solidarität der Europäischen Union zu.

Ukraine und Russland

Ursula von der Leyen bekräftigte erneut die Verpflichtung der EU zur Solidarität gegenüber der Ukraine. Neu ist der von ihr vorgestellte Vorschlag zur Einführung eines „Reparationsdarlehens“. Grundlage hierfür sollen eingefrorene russische Vermögenswerte in der EU bilden. Sie könnten als Sicherheit für sofortige finanzielle Hilfen an die Ukraine in Form von Krediten dienen. Diese Kredite würden erst dann von der Ukraine zurückgezahlt werden müssen, sobald russische Reparationszahlungen geleistet würden. Das Kapital der EU-Staaten bleibe hiervon unberührt. Ferner schlug sie weitere Sanktionen gegen Russland vor, besonders im Bereich fossiler Energieträger.

Israel und Gaza 

Angesichts der jüngsten Maßnahmen der israelischen Regierung in Gaza kündigte Kommissionspräsidentin von der Leyen neue und erstmalig weitreichende Maßnahmen an. Alle bilateralen Zahlungen der EU an Israel würden ausgesetzt, solange es keine Klarheit über die Einhaltung von Menschenrechten im Gaza-Krieg gebe. Lediglich die Unterstützung der Zivilgesellschaft in Israel, für Friendsprojekte sowie Holocaust-Gedenkstätten solle fortgesetzt werden. Des Weiteren schlug die Kommissionspräsidentin gezielte Maßnahmen gegen extremistische israelische Minister sowie gewalttätige Siedler vor. Schließlich will die Kommission prüfen, ob Handelserleichterungen aus dem EU-Israel-Assoziationsabkommen teilweise ausgesetzt werden sollen. 

Zollpolitik

Die Kommissionpräsidentin verteidigte das Handelsabkommen mit den USA, das unter anderem einen Zollsatz von 15 Prozent für EU-Exporte in die USA vorsieht. Das Abkommen habe Stabilität geschaffen in den Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten und einen Handelskrieg mit unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen verhindert. Das Zollabkommen wird von Teilen der Abgeordneten des Europäischen Parlamentes als einseitig und nachteilig für Produzenten in der Europäischen Union bewertet.

Wettbewerbsfähigkeit 

Angesichts der schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage sprach die Kommissionspräsidentin von einem „Unabhängigkeitsmoment für Europa“. Im Zentrum stehe die Förderung von Zukunftstechnologien, z.B. Erneuerbare Energien, KI, sowie Drohnen. Des Weiteren forderte sie eine stärkere Lieferketten-Souveränität und den besseren Schutz vor unfairen Handelspraktiken. 

Klimapolitik 

Ursula von der Leyen betonte den Erfolg der EU-Klimapolitik, die zwingend fortgesetzt werden müsse. Schon heute speise sich 70 Prozent der Stromerzeugung in der EU aus „CO2-armen Energiequellen“. Europa sei auf einem guten Weg, das für 2030 verankerte Ziel der EU zu erreichen, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent zu reduzieren. Das jüngst für 2040 vorgeschlagene Einsparziel in Höhe von 90 Prozent gegenüber 1990 müsse daher verbindlich beschlossen werden. 

Migration 

Die EU-Mittel für Migration und Grenzmanagement würden künftig verdreifacht. Illegale Migration und Schleuserbanden müssten stärker bekämpft werden als bisher. Es sei nicht hinnehmbar, dass bisher nur 20 Prozent der Menschen in der EU, die kein Bleiberecht hätten, die EU verlassen müssten. 

Verteidigung

Die Kommissonspräsidentin verwies ferner auf die Fortschritte beim Aufbau einer EU-Verteidigungsunion. Das im Frühjahr dieses Jahres aufgelegte Programm „ReArm Europe“, mit dem 800 Mrd. Euro für Investitionen in Verteidigung mobillisiert werden sollen, sei erfolgreich gestartet. Dies umfasse auch das Programm SAFE, mit dem 150 Mrd. Euro für gemeinsame Beschaffungen bereitgestellt werden können. 19 der 27 Mitgliedstaaten hätten bereits einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Mittel aus dem Programm würden vollständig abgerufen werden. 

Reaktionen

Ursula von der Leyen erhielt im Verlauf ihrer Rede viel Beifall, insbesondere bei den Ankündigungen neuer Maßnahmen der EU gegen Russland und Israel. Während der Fraktionschef der EVP, Manfred Weber, der ihrer eigenen Parteienfamilie angehört, die Arbeit der Kommissionspräsidentin lobte, erneuerte die Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion (S&D), Iratxe Garcia, unter anderem ihre Kritik an dem jüngst geschlossenen Zollabkommen mit den USA. Ebenso wurde in der Debatte deutlich, dass das Verhältnis der beiden größten Fraktionen von EVP und S&D, das in der Vergangenheit maßgeblich für politische Stabilität im Europäischen Parlament stand, belastet ist. Laute Kritik und Buhrufe kamen vor allen Dingen aus den rechtsextremen Fraktionen von PFE und ESN. (HP)

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