Die Europäische Kommission hat am 15. und 16. Oktober 2020 eine virtuelle Konferenz zu ihrer am 20. Mai 2020 veröffentlichten Strategie „vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork, kurz F2F) veranstaltet.
Exekutiv-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans zeigte sich mit Blick auf die anstehenden Abstimmungen im Europäischen Parlament zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) besorgt, dass die Diskussionen in eine Richtung gehen, die dem Green Deal entgegenstehe. Sorgen um Wettbewerbsnachteile für europäische Landwirte durch höhere Umweltauflagen wie der Halbierung des Pestizideinsatzes teilte er nicht. Die GAP könne hier an den EU-Außengrenzen für hinreichenden Schutz sorgen. Das Handeln der EU habe Auswirkungen auf andere Staaten (z.B. habe China sich bereit erklärt, bis 2060 ebenfalls die Klimaneutralität zu erreichen).
Die EU habe auch die Verantwortung, mit ihrem Konsum sicherzustellen, dass der Regenwald nicht abgeholzt werde. Die Gesetzgebung in der EU müsse dies mit einem entsprechenden einheitlichen Logo für die Verbraucher ersichtlich machen. Das Klimaschutzziel einer Treibhausgasemissionsreduktion von 55 Prozent bis 2030 sei erreichbar. Kohlenstoffsenken sollten gestärkt werden mit besseren Bedingungen für den Wald, mehr Grasflächen und der Wiederherstellung von Mooren und Torfgebieten. Landwirte sollen mit der Hütung der Landschaft Geld verdienen können. Timmermans kritisierte, die Lebensmittelpreise gäben derzeit nicht die Auswirkungen auf die Umwelt wieder. Für das Gelingen der Strategie „vom Hof auf den Tisch“ müssten alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette – vom Landwirt bis zum Konsumenten – mitmachen.
Die Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, betonte die Bedeutung des Green Deal für künftige Generationen und forderte, Gesundheit ganzheitlich zu betrachten (tierisch-pflanzlich-menschlich). Es gelte, die Nahrungsmittelindustrie darin zu unterstützen, gesunde Lebensmittel zu erzeugen. Die Strategie sieht eine einheitliche verpflichtende Nährwertkennzeichnung vor.
Agrarkommissar Janusz Wojciechowskierklärte die Reduktion von Transportwegen in der Lebensmittelproduktion zu einem wichtigen Anliegen, um sowohl Emissionen als auch Kosten zu reduzieren. Mit der Methanstrategie beabsichtigt die Kommission, die Emissionen in der Landwirtschaft zu senken. Bezüglich der Debatten im Europäischen Parlament zur GAP war der Kommissar der Auffassung, die Eco-Schemes als erste Säule der GAP seien ein wichtiges Instrument, um Landwirte anzuhalten, die Standards zu verbessern. Aus der zweiten Säule soll eine freiwillige Verbesserung des Tierschutzes finanziert werden. Der Beitrag werde in der neuen GAP höher ausfallen als in der Vergangenheit. Er unterstrich die Bedeutung von Handelsabkommen zur weltweiten Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzstandards. Die GAP habe aber auch die Aufgabe, die Landwirtschaft zu retten: Binnen eines Jahrzehnts habe die EU 4 Mio. Landwirte verloren (vorher 14 Mio., jetzt 10 Mio. Landwirte in EU).
Die Europaabgeordnete Anja Hazekamp (NL/GUE) forderte als Berichterstatterin zur Farm-to-Fork-Strategie die Verbesserung des Tierschutzes. Derzeit widersprächen die GAP und die EU-Handelspolitik der F2F-Strategie und dem Tierschutz. Es sei notwendig, Subventionen abzuschaffen und ehrliche Preise zu schaffen, welche die Auswirkungen auf Umwelt und Klima in den Lebensmittelpreisen zeigen. Dann würden gesunde Lebensmittel auch günstiger werden. Für den Ausschuss der Regionen forderte Guido Milana (IT/S&D) einen Dialog der Produzenten und Konsumenten sowie Unterstützung beim Übergang. Ferner sei eine Herkunftskennzeichnung im Interesse sowohl der Produzenten als auch der Konsumenten.
Die dänische Veterinär- und Ernährungs-Staatssekretärin Anneliese Fenger berichtete über positive Erfahrungen mit einem 2017 eingeführten freiwilligen Tierwohllabel. Von 2007-2019 habe Dänemark den Anteil des Ökolandbaus verdoppelt und dabei die Erfahrung gemacht, dass die Preise für Biolebensmittel mit steigendem Produktionsanteil gesunken seien. Wichtig sei für den Ausbau des Ökolandbaus die Einbeziehung der Verbraucher.
Für den WWF zeigte sich Ester Asin Martinez froh über den Optimismus der deutschen Ratspräsidentschaft, eine gute Einigung zu Ratsschlussfolgerungen zur Farm-to-Fork-Strategie zu erzielen. Priorität hat für den WWF die Bekämpfung der Entwaldung. Sie forderte mehr Aufmerksamkeit für den globalen ökologischen Fußabdruck. Die EU sei für zehn Prozent der globalen Entwaldung verantwortlich. Für den derzeit verhandelten Legislativvorschlag zu Entwaldung forderte sie, dieser dürfe nicht nur Entwaldung adressieren, sondern müsse auch Menschenrechte und Auswirkungen auf andere Ökosysteme miteinbeziehen und dürfe nicht nur für Holzprodukte, sondern müsse auch für anderen Waren wie Palmöl und Fleisch gelten. (TS)