Die Kommission hat am 20. Mai 2020 im Rahmen des so genannten Frühjahrspakets des Europäischen Semesters die länderspezifischen Empfehlungen (LSE) veröffentlicht. Diese wirtschaftspolitischen Leitlinien basieren vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie auf den dringendsten Herausforderungen einer nachhaltigen Erholung der kurzfristigen Abmilderung der schwerwiegendsten sozioökonomischen Folgen. Für Deutschland empfiehlt die Kommission unter anderem durchführungsreife öffentliche Investitionen vorzuziehen und private Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel zu unterstützen, insbesondere in nachhaltigen Verkehr, saubere, effiziente und integrierte Energiesysteme, digitale Infrastruktur und Kompetenzen, Wohnbau, Bildung sowie Forschung und Innovation. Ferner seien die digitalen Verwaltungsleistungen auf allen Ebenen verbesserungswürdig.
Für Deutschland stellt die Kommission fest, dass nach wie vor makroökonomische Ungleichwichte bestehen und sich der hohe Leistungsbilanzüberschuss negativ auf andere Länder auswirkt.
Ferner mahnt die Kommission durchführbare öffentliche Investitionsprojekte zu vollziehen und private Investitionen zu fördern. Der Investitionsrückstand auf kommunaler Ebene sei mit 4 Prozent des BIP immer noch recht hoch. Öffentliche Investitionen werden durch Kapazitäts- und Planungsengpässe gebremst. Bereits geplante Investitionen in grüne Technologien und Energien, wie Projekte für Gebäudesanierungen und erneuerbare Energien, sollten vorgezogen werden. Das Wohnungsangebot stehe deutlich hinter dem für den Zeitraum 2017 bis 2021 gesetzten jährlichen Ziel von 375.000 Wohnungsneubauten zurück. Daher sollten Maßnahmen zur Förderung von Investitionen in Wohnungsneubauten ergriffen werden, um diesem Missverhältnis entgegenzuwirken und Wohnraum bezahlbarer machen.
Wie in den Vorjahren fordert die Kommission höhere Investitionen in Bildung und Forschung ein und weist darauf hin, dass die Gesamtausgaben für Bildung und Forschung 2018 nach wie vor bei 9,1 Prozent des BIP und damit unter dem nationalen Zielwert von 10 Prozent des BIP lagen und private Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen zudem zunehmend in Großunternehmen konzentriert sind.
Deutschland habe zusätzlich im Bereich der digitalen Infrastruktur bei der flächendeckenden Versorgung mit Netzen mit sehr hoher Kapazität weiterhin einen großen Abstand zu anderen Ländern. Der EU-Durchschnitt liegt hier bei 44 Prozent und in Deutschland lediglich bei 32,7 Prozent. Der Anteil an Glasfaseranschlüssen lag bei 10,5 Prozent und somit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 33,5 Prozent. Die geplante Digitalisierung aller 575 Verwaltungsleistungen stelle eine Herausforderung dar.
Der technologische Fortschritt verändere den Arbeitsmarkt und erfordere verstärkte Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung, auch in Umschulungen und Weiterqualifizierungen. Dieser Bedarf sei durch die COVID-19-Krise noch dringlicher geworden. Dies betrifft insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Sektoren beschäftigt sind, die längerfristig von sozialer Distanzierung betroffen sein können, oder die von Arbeitslosigkeit bedroht sind.
Die Analyse der Kommission kommt auch zu dem Ergebnis, dass durch die „plötzliche“ Digitalisierung durch die COVID-19-Krise insbesondere „verwundbare“ Teile der Gesellschaft vor besondere Herausforderungen gestellt werden. Die ohnehin vorhandenen Unterschiede beim Grundlagenwissen drohen, sich bei Schülern und Studierenden, die zu Hause keinen Zugang zu digitalen Lösungen haben und dort keine Unterstützung erfahren, bei behinderten Studierenden oder auch im Zusammenhang mit der sozioökonomischen Herkunft oder Migrationshintergründen weiter zu verschärfen.
Im Bereich Gesundheit habe Deutschland von seinem universellen Gesundheitssystem profitiert, das Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung bietet. Die anhaltende COVID-19-Krise unterstreiche jedoch die Notwendigkeit, die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssystems zu stärken. Insbesondere die Verfügbarkeit von Pflegepersonal und die Attraktivität des Pflegeberufs bleiben eine Herausforderung. Trotz einer vergleichsweisen hohen Zahl praktizierender Pflegekräfte pro Kopf, gebe es weiter unbesetzte Stellen in den Krankenhäusern. Auch könnte die Koordination zwischen den Gesundheitsdiensten in der Primär- und Krankenhausversorgung sowie zwischen der Gesundheits- und Sozialfürsorge verbessert werden und durch digitale Hilfsmittel unterstützt werden. Die Einführung der e-Health-Infrastruktur erfolge zwar mit beschleunigtem Tempo, doch bei der Nutzung von Online-Gesundheits- und Pflegediensten, elektronischen Rezepten und dem Austausch medizinischer Daten liege Deutschland weiterhin unter dem EU-Durchschnitt.
Der Rat muss die länderspezifischen Empfehlungen nun billigen bevor die Mitgliedstaaten angehalten sind die Empfehlungen umzusetzen. (CM/JC/MK).
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_894