Die Pläne und einschlägigen Beschlüsse zur Errichtung der EUStA liegen schon einige Jahre zurück, und nach intensiven Vorbereitungen und äußerst schwierigen Verhandlungen ist nun eine spannende Personalie verkündet worden. Anlässlich des letzten Rats für Justiz und Inneres hat der finnische Vorsitz angekündigt, dass sich die EU-Institutionen auf die Rumänin Laura Kövesi verständigt haben.
Die Ernennung ist ein Meilenstein auf dem Weg zum Start der Behörde. Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) soll EU-weit tätig werden und gegen grenzübergreifende Großkriminalität zulasten des EU-Budgets vorgehen. Die EUStA soll ihre Arbeit vsl. Ende 2020 in den nach derzeitigem Stand 22 teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, aufnehmen. Zu den nicht teilnehmenden Staaten gehören u.a. Ungarn und Polen sowie Dänemark und Irland.
Gemäß Beschluss wird die EUStA als erste unabhängige und dezentrale Staatsanwaltschaft der EU befugt sein, Straftaten gegen den EU-Haushalt wie Betrug, Korruption und schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Unterstützt wird die Behörde dabei durch OLAF, das EU-Amt für Betrugsbekämpfung. Allein der grenzüberschreitende Mehrwertsteuerbetrug kostet die EU nach Schätzungen jährlich 50 Mrd. Euro Steuereinnahmen. Die EUStA soll zentral auf EU-Ebene (bei Beaufsichtigung der Ermittlungen und koordinierend) und dezentral in jeden EU-Mitgliedstaat (bei der Durchführung der Ermittlung und Strafverfolgung) tätig sein.
Die Auswahl von Laura Kövesi wurde von den zuständigen Parlamentsausschüssen und nicht zuletzt von der Kommission begrüßt. "Diese Einigung ist ein starkes Signal dafür, dass die EU es ernst meint mit dem Kampf gegen Finanzkriminalität und mit dem Schutz des Steuerzahlergeldes", sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova. Sie sei davon überzeugt, dass Kövesi einen hervorragenden Job machen werde.
Ausgerechnet die Regierung ihres Heimatlandes Rumänien hatte gegen die Ernennung von Laura Kövesi mobil gemacht - und das sogar während der rumänischen Ratspräsidentschaft, die bis Ende Juni 2019 andauerte. Dabei sehen diplomatische Gepflogenheiten in Brüssel vor, dass die innehabende Präsidentschaft im Geiste des Kompromisses und als ehrlicher Makler nationale Interessen hintanstellt - ganz abgesehen vom rechtsstaatlich fraglichen Agieren der dortigen Regierung. Das Vorgehen der rumänischen Regierung gegen Kövesi, der früheren Chefin der dortigen Antikorruptionseinheit, nahm bizarre Züge an: Gegen die auf EU-Ebene als fachlich und integer geschätzte, aber 2018 von der Regierung abgesetzte Korruptionsbekämpferin wurde zwischenzeitlich von Bukarest ein Ausreiseverbot ausgesprochen. In Rumänien waren gegen sie Ermittlungen wegen "Korruption, Amtsmissbrauch und Falschaussage" eingeleitet worden.
Die Juristin bezeichnete die Vorwürfe als Teil einer Kampagne der Regierung in Bukarest. Sogar Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans musste angesichts der immer offensichtlicher werdenden politischen Einflussnahme gegen Kövesi intervenieren und forderte die rumänische Premierministerin im März persönlich auf, den „verankerten Grundsatz der aufrichtigen Zusammenarbeit beim Auswahlverfahren des Europäischen Generalstaatsanwalts uneingeschränkt zu respektieren“. Der zuständige Kommissar Timmermans hatte erklärt, im weiteren Kontext die Entwicklungen zur Rechtstaatlichkeit in Rumänien mit Sorge zu betrachten. Für die damals amtierende rumänische Ratspräsidentschaft kam das einer schallenden Ohrfeige aus Brüssel gleich.
Besonders das Parlament hatte sich für die „Korruptionsjägerin“ Kövesi ausgesprochen. Der Innen- und Justizausschuss sowie der Haushaltskontrollausschuss hatten sich bereits am 27. Februar 2019 für Kövesi gestimmt. Im Ministerrat hatte lange der nun unterlegene französische Kandidat Jean-François Bohnert eine klare Mehrheit.
Der finnische Ratsvorsitz äußerte sich sehr positiv zur Wahl Kövesis. Die Kommission führte auf dem Justizrat aus, dass parallel zur Klärung der Personalie die Arbeit zur Errichtung der EUStA vorankomme. Kövesi werde nun viele Entscheidungen zu treffen haben (z. B. in Bezug auf die interne Geschäftsordnung sowie auf die Beschäftigungsbedingungen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte). In Bezug auf Letztere würden auch Entscheidungen zu deren Anzahl in den Mitgliedstaaten sowie zur territorialen Verteilung zu treffen sein. Frau Kövesi werde demnächst von Kommissarin Vera Jourova (die übrigens in der neuen Kommission Vize-Präsidentin werden soll) empfangen werden.
Unabhängig von dieser wichtigen Personalie laufen die Vorbereitungsarbeiten zum Start der EUStA noch weiter: einige Mitgliedstaaten müssen auch noch Kandidatinnen bzw. Kandidaten für die einzelnen Europäischen Staatsanwälte benennen. (JB)