Der jetzige Beschlussvorschlag der KOM folgt der Einleitung des Verfahrens nach der Verordnung über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union (Konditionalitäts-Verordnung) im April 2022. Die Konditionalitäts-Verordnung sieht vor, dass die Kommission in ihrer Funktion als Hüterin der Verträge dem Rat einen Entwurf für einen Durchführungsbeschluss mit geeigneten Maßnahmen vorlegt, wenn sie - wie hier geschehen - zu der Feststellung gelangt, dass die Voraussetzungen zur Einbehaltung von Haushaltsmitteln erfüllt sind und die gegebenenfalls vom Mitgliedstaat vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen den Missstand nicht beheben. Gemäß der Konditionalitäts-Verordnung sind geeignete Maßnahmen zu treffen, wenn festgestellt wird, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat die wirtschaftliche Führung des Haushalts der Union oder den Schutz ihrer finanziellen Interessen hinreichend unmittelbar beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen.
Nach Auffassung der KOM sind die EU-Gelder in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt. Neben dem Vorwurf der Korruption steht Ungarn auch wegen anderer Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in der Kritik. Ungarn hat zwar zugesagt, die festgestellten Defizite zu beseitigen, die vorgeschlagenen Maßnahmen aber bisher noch nicht umgesetzt. So hat Ungarn insbesondere eine nationale Behörde für die Bekämpfung von Korruption angekündigt, diese hat die Arbeit aber noch nicht aufgenommen, weshalb das Risiko einer rechtsstaatswidrigen Mittelverwendung derzeit nicht auszuschließen ist. Zum derzeitigen Zeitpunkt schlägt die KOM daher konkret vor, 65 Prozent der Mittelbindung für drei operationelle Programme auszusetzen, die aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Kohäsionsfond und dem Europäischen Sozialfonds Plus finanziert werden. Zudem dürfen keine Verpflichtungen mit gemeinnützigen Treuhandstellen im Rahmen von in direkter bzw. indirekter Mittelverwaltung durchgeführten Programmen eingegangen werden.
Der Rat hat nun einen Monat Zeit, um mit qualifizierter Mehrheit über die Annahme solcher Maßnahmen zu entscheiden. Diese Frist kann unter außergewöhnlichen Umständen um höchstens zwei Monate verlängert werden. In der Zwischenzeit wird die KOM die Lage beobachten und den Rat über alle relevanten Elemente unterrichten, die sich auf ihre bestehende Bewertung auswirken könnten. Ungarn hat sich verpflichtet, die Kommission bis zum 19. November 2022 umfassend über die Erfüllung der wichtigsten Umsetzungsschritte zu unterrichten. (UV)