Die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits unter großen Druck gesetzt. Viele befürchten, dass ihre verfügbaren Intensivpflegeplätze nicht ausreichen werden. In vielen europäischen Gesundheitseinrichtungen kommt es zu Überlastung und akutem Arbeitskräftemangel. Gleichzeitig entstehen vermehrt regionale Initiativen der Krankenhauskooperation. Unter anderem bieten mehrere deutsche Bundesländer und Luxemburg italienischen und französischen Patientinnen und Patienten Intensivpflegeplätze an. In Rheinland-Pfalz sind es aktuell 17 Plätze. Da eine außergewöhnliche Notfallsituation vorliegt, hält die Kommission einen stärker koordinierten Ansatz in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung für gerechtfertigt. Am 3. April 2020 hat sie dazu Leitlinien veröffentlicht, in denen sie den Gesundheitsbehörden ihre grenzüberschreitende Unterstützung im Gesundheitswesen zusichert.
Die Kommission bieten den Gesundheitsbehörden an, die Koordinierung angeforderter und angebotener Intensivpflegeplätze für Patienten durch den Gesundheitssicherheitsausschuss und das Frühwarn- und Reaktionssystem zu übernehmen. Der Gesundheitssicherheitsausschuss setzt sich unter dem Vorsitz der Kommission aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Er unterstützt den Informationsaustausch und die Koordinierung der Vorsorge und Reaktion auf ernste grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen. Die zuständige Gesundheitsbehörde benachrichtigt die Mitgliedstaaten und die Kommission über das Frühwarn- und Reaktionssystem. Mitgliedstaaten, die in der Lage sind, Hilfe anzubieten, können auf das Ersuchen über das System reagieren. Sobald einem Hilfegesuch abgeholfen wird, koordinieren die kooperierenden Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Unterstützungsmaßnahme direkt untereinander und mit den Krankenhäusern.
Die Kommission gibt ferner in ihren Leitlinien vor, dass sie die Koordinierung und Finanzierung von Notfalltransporten von Patienten und die Entsendung entsprechend qualifiziertem Personal über die Grenzen hinweg übernehmen kann, wenn die Mitgliedstaaten dies über das EU-Katastrophenschutzverfahren anfordern. Das Katastrophenschutzverfahren bietet einen 24/7-Dienst, der den notwendigen medizinischen Transport koordinieren und mitfinanzieren kann.
Darüber hinaus liefert die Kommission die Informationen über die Erstattung von Behandlungskosten in einem anderen Mitgliedstaat in Übereinstimmung mit den Verordnungen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit. Patienten, die in ein Krankenhaus in einem anderen Mitgliedstaat transportiert werden müssen, sollten normalerweise im Besitz einer vorherigen Genehmigung der zuständigen Sozialversicherungsanstalt sein. Dies sei laut Kommission angesichts der derzeitigen Notfallsituation nicht praktikabel. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, einen pragmatischen Ansatz für die Patienten zu wählen, die auf eine dringende Versorgung angewiesen sind. Es sei angesichts des öffentlichen Notfalls eine allgemeine Vorabgenehmigung in Betracht zu ziehen, um die Deckung aller Ausgaben des aufnehmenden Gesundheitsversorgers zu gewährleisten. Die Kommission empfiehlt, dass es ausreiche, wenn der zuständige Mitgliedstaat dafür sorgt, dass der Patient, der von COVID-19 betroffen ist, ein Dokument mit sich führt, das bestätigt, dass er zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme versichert ist.
Ferner können die Gesundheitsbehörden die nationalen Kontaktstellen für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung konsultieren, um über Vereinbarungen der grenzüberschreitenden Patientenmobilität Klarheit zu bekommen. Dazu gehören Fragen zur Übertragung von Patientendaten, der Kontinuität der Versorgung und der gegenseitigen Anerkennung von Verschreibungen in Übereinstimmung mit der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. Die Kommission empfiehlt in den vorgelegten Leitlinien, dass die Mitgliedstaaten Patientenakten und eRezepte über MyHealth@EU austauschen, wenn diese Dienste genutzt werden. Darüber hinaus sollten die Patienten eine Kopie ihrer medizinischen Unterlagen erhalten, um sowohl die Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat als auch die Nachbehandlung zu Hause zu erleichtern. Der allgemeine Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Verschreibungen gilt gemäß der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung.
Schließlich ermutigt die Kommission lokale, regionale und nationale Gesundheitsbehörden über bilaterale und regionale Vereinbarungen die Belastung der Intensivstationen, die COVID-19-Patienten in der Nachbarregion behandeln, zu verringern. Auch ermutigt die Kommission die Mitgliedstaaten und entsprechend spezialisierte NGOs, qualifizierte Teams medizinischen Personals über die Grenzen zu entsenden. Mitgliedstaaten, regionale und lokale Behörden sollten ferner die maximale Flexibilität nutzen, die die Interreg-Programme ihnen bieten, um den Herausforderungen der Pandemie zu begegnen. Viele Grenzregionen verfügen bereits über Strukturen der Zusammenarbeit, auch im Gesundheitswesen, die jetzt voll genutzt werden sollten, um sich gegenseitig im Geiste der europäischen Solidarität zu helfen. (JC)