Die Kommission hat am 28. Oktober 2020 eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat herausgegeben (COM(2020) 687 final). Mehr als acht Monate nachdem die Weltgesundheitsorganisation die Corona-Pandemie als „Notlage“ eingestuft hat, sind die rasant ansteigenden Zahlen in fast allen Teilen Europas Anlass genug, um zu weiteren Maßnahmen und verstärkter Kooperation aufzurufen. Seit Beginn der Pandemie habe sich die Koordination unter den Mitgliedstaaten zwar deutlich verbessert, doch die Bürgerinnen und Bürger sähen sich einem noch nie da gewesenen Risiko für Gesundheit und Wohlergehen gegenüber. Es ginge jetzt, so die Kommission, darum, Leben zu retten, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und den Binnenmarkt zu stärken, damit die EU stärker und geschlossener aus der Krise kommen kann.
Die Kommission erklärt dazu in ihrer Mitteilung, dass „die Lockerung von Maßnahmen in den Sommermonaten (…) nicht immer mit Maßnahmen zum Aufbau ausreichender Reaktionskapazitäten einher(ging).“ Daher bestehe sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene dringender Handlungsbedarf. Schärfere Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt könnten sich zudem für die Menschen und die Wirtschaft auszahlen.
Konkret umfasst die Mitteilung acht Schritte in Schlüsselbereichen, die eine verstärkte Reaktion der EU bewirken sollen. Zum einen soll der Informationsfluss von wichtigen Daten sichergestellt werden, damit Entscheidungen auf der Grundlage aller notwendigen Informationen getroffen werden können. Alle Mitgliedstaaten sind aufgefordert, ihre Daten dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zur Verfügung zu stellen. Zudem hat die Kommission am 28. Oktober 2020 eine Empfehlung zur schnellen Antigen-Testung beschlossen. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten bis Mitte November 2020 ihre nationalen Teststrategien bei der Kommission einreichen. Für den Ankauf der Antigen-Schnelltestung stellt die Kommission 100 Mio. Euro zur Verfügung.
Darüber hinaus soll die Kontaktnachverfolgung von allen Mitgliedstaaten effektiv und kompatibel umgesetzt werden. Bürgerinnen und Bürgern sollen zum Download und zur Nutzung der Apps ermutigt werden. Um nationale Apps miteinander zu verbinden, hat die Kommission kürzlich den „European Federation Gateway Service“ ins Leben gerufen. Drei nationale Apps, nämlich die aus Deutschland, Irland und Italien, wurden erstmals am 19. Oktober 2020 zusammengeführt. Die Kommission ist bereit, „die Mitgliedstaaten nach Kräften bei der Entwicklung nationaler Apps“ zu unterstützen, heißt es in der Mitteilung.
Weiterer Schwerpunkt der neuen Maßnahmen ist die Sicherstellung einer wirksamen Impfung, um die Krise unter Kontrolle zu bringen. Im Rahmen der EU-Impfstoffstrategie verhandelt die Kommission Abnahmegarantien mit Herstellern und will damit den bestmöglichen Zugang zu Impfstoffen für Bürgerinnen und Bürger sicherstellen, sobald diese getestet und für sicher befunden wurden. „Bislang wurden Verträge über Vorauszahlungen in Höhe von 1,02 Mrd. Euro unterzeichnet und mit drei Unternehmen Sondierungsgespräche geführt, bei denen es um weitere Vorauszahlungen in Höhe von 1,45 Mrd. Euro geht,“ erklärt die Kommission. Der Impfstoff allein rette jedoch keine Menschenleben. Von den Mitgliedstaaten müssten nationale Impfstrategien zur Gewährleistung umfassender Vorbereitung ausgearbeitet werden. Die Kommission wird einen gemeinsamen Rahmen zur Berichterstattung entwickeln und eine Plattform zur Verfügung stellen, um die Effektivität der nationalen Strategien zu beurteilen und den Austausch von „Best Practice“-Beispielen zu vereinfachen. Die erste Beurteilung nationaler Strategien ist für November 2020 geplant.
Die Kommission stellt ebenfalls fest, dass klare und kohärente Kommunikation in einer Gesundheitskrise unerlässlich ist. Dies sei auch wichtig in Bezug auf Falschmeldungen sowie irreführende und gefährliche Botschaften. Darüber hinaus müsse man dem Risiko der „Pandemie-Ermüdung“ und einer „sinkenden Bereitschaft zur Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen wie der physischen Distanzierung und der Verringerung sozialer Interaktionen“ begegnen. Auf Fakten basierende Informationen seien für einen effektiven Schutz der Bürgerinnen und Bürgern ebenso wichtig wie für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Behörden.
Die Kommission hat ferner eine neue gemeinsame Beschaffung von medizinischen Geräten für die Impfung vereinbart. Auf dieser Basis erfolgen eine gemeinsame Auftragsvergabe und eine „strategische medizinische Bevorratung“ mit wichtigen Gütern. Mit den umfassenden Rahmenverträgen für die gemeinsame Auftragsvergabe werden zudem die Vorsorgemaßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützt, ist in der Mitteilung nachzulesen. Die Befreiung von Zöllen und Mehrwertsteuern auf die Einfuhren medizinischer Ausrüstung aus Drittländern werde zudem bis 2021 weiterbestehen, so die Kommission.
Schließlich wird noch die Freizügigkeit innerhalb der EU und im Schengen-Raum thematisiert. Die Kommission erklärte, sie arbeite weiter daran, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger innerhalb Europas sicher reisen können und verwies auf den am 13. Oktober 2020 vorgeschlagenen einheitlichen Rahmen für Reisebeschränkungen in der EU. Verbleibende Corona-bedingte Kontrollmaßnahmen an den Binnengrenzen sind aufzuheben. Reisebeschränkungen und Auflagen zur Quarantäne bei der Einreise in das Hoheitsgebiet sollten zudem nach gesundheitlicher Gefahrenlage zu rechtfertigen und „verhältnismäßig“ sein und dürfen EU-Bürgerinnen und -Bürger nicht aufgrund ihres Herkunftslands diskriminieren. Auch vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden epidemiologischen Lage müsse das Reisen aus beruflichen oder wichtigen familiären Gründen möglich sein. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) und die ECDC arbeiten gemeinsam an Leitlinien sowie an einem Testprotokoll, um eine sichere Ankunft für Reisende zu erleichtern.
Die Kommission will überdies mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um eine gemeinsame EU-Quarantänestrategie zu entwickeln. Die Kommission erklärt in der Mitteilung, sie habe die ECDC mit der Erstellung wissenschaftlicher Leitlinien zum Thema Quarantäne beauftragt. Auch hierzu sollen im November 2020 erste Ergebnisse vorgestellt werden. Darüber hinaus soll es – unter Einhaltung aller Datenschutzrichtlinien – ein gemeinsames europäisches Reiseformular in digitaler Form geben. „Im nächsten Monat wird ein Pilotprojekt es den Mitgliedstaaten ermöglichen, sich auf die Anwendung dieses Konzepts vorzubereiten, und der für Dezember geplanten Einführung des EU-Reiseformulars den Weg bereiten,“ so die Kommission.
Die Internetplattform „Re-open EU“ stelle zudem zeitnah wichtige Informationen zu den Gesundheitsmaßnahmen und Reisebeschränkungen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang bittet die Kommission die Mitgliedstaaten darum, diese Informationen aktuell zu halten, damit „Re-open EU“ zur zentralen Anlaufstelle für aktuelle Informationen wird. Eine mobile App zu dieser Seite werde zurzeit entwickelt. Instrumente wie Re-open EU seien von entscheidender Bedeutung, um Bürger dabei zu unterstützen, Reisen sicher zu planen und dabei ihre Gesundheit zu schützen. Dies spiele auch bei der Unterstützung der Wirtschaft eine Rolle. Wie es in der Mitteilung heißt, fallen und 10 Prozent des BIP der EU und rund 25 Prozent des BIP einzelner Mitgliedstaaten auf den Tourismus.
Seit März 2020 gibt es zur Sicherstellung des freien Verkehrs von Waren und Dienstleistungen zudem so genannte „grüne Korridore“ oder Sonderfahrspuren, die es vor allem im Straßengüterverkehr ermöglichen sollen, Grenzen in weniger als 15 Minuten zu passieren. Diese hätten zu Beginn der Pandemie die Güterversorgung sichergestellt und damit dazu beigetragen, die negativen Auswirkungen auf das tägliche Leben etwas zu verringern. Aufgrund einzelner Quarantänevorschriften und Schließung sei die Güterversorgung jedoch nach wie vor erschwert. Die Kommission schlägt daher vor, das Konzept der „grünen Korridore“ auf den Schienen-, Luft- und Schiffsgüterverkehr auszuweiten. So soll sichergestellt werden, dass der freie Warenverkehr, die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen und die Freizügigkeit von Grenzgängern und Beschäftigten im grenzüberschreitenden Verkehrswesen auch in Fällen von Beschränkungen aufgrund von Hygienekontrollen sichergestellt werden kann.
Abschließend erklärt die Kommission, dass für die Schaffung robuster Systeme die Erfahrungen der Anstrengungen zur Verbesserung der globalen, europäischen und nationalen Reaktion auf die „erneute Pandemiewelle“ berücksichtigt werden müssen. Die Pandemie habe eine Reihe von Mängeln aufgezeigt und die Reaktionen hätten gezeigt, dass die bestehenden Möglichkeiten zur Koordination nicht voll ausgeschöpft wurden. „Die Mitgliedstaaten sollten ihrer eigenen Forderung nach einem einheitlicheren und besser koordinierten Ansatz nun Folge leisten,“ heißt es abschließend in der Mitteilung. Die Kommission werde am 11. November 2020 ein Paket von Initiativen annehmen, mit dem das Grundgerüst einer Europäischen Gesundheitsunion geschaffen werden soll. Teil dieses Pakets ist unter anderem ein Vorschlag für die Bewältigung „schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren“ und ein entsprechendes „Konzept zur Krisenvorsorge, -überwachung und –reaktion.“ Darüber hinaus sollen die Mandate des ECDC und der Europäischen Arzneimittel-Agentur geändert werden, um eine besser Bewältigung von Gesundheitskrisen zu ermöglichen. (sch)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=COM:2020:687:FIN&from=EN
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_1986
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_20_1911
Factsheet: Coronavirus Resurgence: New preparedness and response measures across the EU