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Notfallinstrument für Krisenzeiten

Mit einem neuen Notfallinstrument will die Europäische Kommission (KOM) das Funktionieren des Binnenmarkts auch in Krisenzeiten garantieren. Dazu hat sie am 18. September 2022 die Schaffung einer gemeinsamen Krisenreaktionsstruktur vorge-schlagen, die den gemeinsamen Markt überwachen und bei Bedarf Maßnahmen zur Krisenbewältigung vorschlagen soll. Basierend auf den Erfahrungen während der Corona-Pandemie soll zukünftig verhindert werden, dass Waren, Dienstleistungen und Personen in einer Krise nicht mehr die Grenze passieren können und somit der gemeinsame Binnenmarkt ausgehebelt wird.
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Das Notfallinstrument für den Binnenmarkt ergänzt die gezielteren Maßnahmen zu bestimmten Aspekten des Krisenmanagements oder in bestimmten Sektoren. Dazu gehören die Europäische Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), der Notfallplan zur Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit und das Europäische Chip-Gesetz. Es soll einen gemeinsamen Rahmen für das Krisenmanagement schaffen und dazu dienen, Bedrohungen für den Binnenmarkt zu ermitteln und dessen reibungsloses Funktionieren zu gewährleisten. Die vorgeschlagene Krisenreaktionsstruktur soll den unterschiedlich ausgeprägten Auswirkungen einer Krise in ihren verschiedenen Phasen auf den Binnenmarkt Rechnung tragen. Dafür sind eine zentrale Beratergruppe und spezifische Reaktionsmaßnahmen in Krisenzeiten vorgesehen.

Aufgabe der Beratungsgruppe ist es, die KOM in Bezug auf geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung oder Bewältigung der Auswirkungen möglicher Krisen auf den Binnenmarkt zu beraten und gleichzeitig für eine angemessene Koordinierung auf EU-Ebene zu sorgen. In konkreten Situationen wird die Beratungsgruppe die KOM bei der Bewertung des Ausmaßes der Bedrohung und der Notwendigkeit von Reaktionsmaßnamen unterstützen. In normalen Zeiten (Eventualfallplanung), sorgen die Marktkräfte für das Funktionieren der Unternehmen und des Binnenmarkts. In diesen Zeiten kann die KOM nach dem vorgeschlagenen Reaktionsrahmen Maßnahmen zur Vorbereitung auf mögliche Krisen ergreifen, wie die Schulung von Beamtinnen und Beamten in den Mitgliedstaaten, die Ausarbeitung von Krisenprotokollen und Krisenkommunikation sowie die Einrichtung eines Frühwarnsystems.

Die nächsthöhere Stufe, der sogenannte Überwachungsmodus, kann aktiviert werden, wenn eine erhebliche Unterbrechung der Versorgung mit Waren oder Dienstleistungen von strategischer Bedeutung droht. Zu den wichtigsten Maßnahmen im Rahmen des Überwachungsmodus gehört die Überwachung der Lieferketten für strategisch wichtige Waren und Dienstleistungen durch die Mitgliedstaaten. Darüber hinaus gibt der Vorschlag auch einen Rahmen für den Aufbau strategischer Reserven in diesen Bereichen vor. Die höchste Stufe des Krisenreaktionsmechanismus, der Notfallmodus, wird aktiviert, wenn die Auswirkungen einer Krise die Freizügigkeit im Binnenmarkt oder das Funktionieren der für gesellschaftliche und wirtschaftliche Tätigkeiten unverzichtbaren Lieferketten erheblich beeinträchtigen. Für den Notfallmodus werden Grundsätze festgelegt, die von den Mitgliedstaaten einzuhalten sind. So kann den Mitgliedstaaten untersagt werden, spezifische Beschränkungen des freien Verkehrs krisenrelevanter Waren und Dienstleistungen zu erlassen. Die Mitgliedstaaten können auch verpflichtet werden, neue Beschränkungen zu melden und zentrale Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen einzurichten. Die KOM soll ermächtigt werden, krisenrelevante Waren für die Mitgliedstaaten beschaffen zu können, falls sie von diesen darum ersucht wird.

Die KOM kann mit Unterstützung der Beratungsgruppe, der Mitglieder aus allen Mitgliedstaaten angehören, den Überwachungsmodus für den Binnenmarkt aktivieren, wenn sie feststellt, dass die Kriterien dafür erfüllt sind. Zu diesem Zweck muss sie einen Durchführungsrechtsakt der Kommission erlassen, mit dem der Überwachungsmodus für höchstens sechs Monate aktiviert wird. Der Durchführungsrechtsakt muss von den Mitgliedstaaten geprüft werden. Zur Aktivierung des Notfallmodus für den Binnenmarkt auf Vorschlag der KOM bedarf es der Zustimmung des Europäischen Rates. (UV)

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