Die Kommission hat am 12. Mai 2021 einen Null-Schadstoff-Aktionsplan (zero pollution, COM(2021)400) von Wasser, Luft und Boden veröffentlicht, der sich weiterhin auf die Kreislaufwirtschaft, Industrieemissionen, Lärm, Chemikalien, Natur- und Meeresschutz bezieht. Die Strategie zielt auf einen besseren Schutz der Biodiversität und menschlichen Gesundheit ab und soll diesen als Teil des Green Deal durchgängig in allen Sektoren berücksichtigen, indem Umsetzungslücken zwischen bestehenden Umweltschutzvorschriften geschlossen werden. Dazu sollen bis 2030 das Abfallaufkommen und der Restmüll sowie die Kunststoffabfälle im Meer halbiert werden, der Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt sowie die Zahl der unter chronischem Verkehrslärm belasteten Menschen (etwa durch die neue Euro7-Norm und die Revision der Umweltlärmrichtlinie) sollen um 30 Prozent sinken . Der Anteil der Ökosysteme, in denen Luft-Schadstoffe die biologische Vielfalt gefährden, soll um ein Viertel reduziert werden. Dabei möchte die Kommission bestehende grenzüberschreitende Ansätze (z.B. Flüsse) vertiefen. Das Schadstofffreiheitsziel soll auch die Außen- und Handelspolitik der EU beeinflussen. Dazu möchte sich die Kommission etwa für eine globale Definition des Begriffs Altfahrzeug einsetzen sowie für die Verpflichtung, Altfahrzeuge nur zugelassenen Anlagen zu übergeben.
Durch eine saubere Umwelt soll zugleich die soziale Ungleichheit reduziert werden. Denn bislang sind insbesondere sozioökonomisch Benachteiligte besonders von durch Luftverschmutzung verursachten Krebs- und Herzerkrankungen betroffen. Digitale Lösungen und private Investitionen im Rahmen nachhaltiger Finanzierung sowie die Ausrichtung des EU-Forschungsprogramms Horizont Europa sollen zu einer gesamtgesellschaftlichen Unterstützung des Ziels der Schadstofffreiheit beitragen – beispielsweise durch die Berechnung des Verbraucherfußabdrucks.
Den Erfahrungsaustausch möchte die Kommission durch die Einrichtung so genannter „Living Labs“ für grüne digitale und intelligente Null-Schadstoff-Lösungen und einer am 4. Juni 2021 zu begründenden Null-Schadstoff-Plattform für Interessenträger sowie die Konsolidierung der EU-Wissenszentren für Null-Schadstoffemissionen befördern. Die jährliche öffentliche Green Week Konferenz der Kommission vom 1.-4. Juni 2021 steht unter dem Motto der Schadstofffreiheit. Von November 2020 bis Februar 2021 hatte die Kommission im Rahmen einer öffentlichen Konsultation Stellungnahmen zum Aktionsplan entgegengenommen. Verschmutzung ist für die Europäerinnen und Europäer nach dem Klimaschutz das dringlichste Umweltproblem, so eine Euroabarometer-Umfrage 2020.
Die Kommission geht auf Grundlage eines Berichts der Europäischen Umweltagentur (EUA) allein durch Luftverschmutzung von jährlich 400.000 vorzeitigen Todesfällen in der EU aus, weshalb die Kommission für 2022 bereits eine Erhöhung der Luftreinhaltungs-Grenzwerte und die Angleichung an die WHO-Standards angekündigt hatte. Dadurch sollen die vorzeitigen Todesfälle um 55 Prozent reduziert werden. Auch die in der Renovierungswelle (COM/2020/662) enthaltene energetische Sanierung soll durch mehr Erneuerbare Energien und entsprechende Vorgaben für Baumaterialien die Luftqualität innerhalb und außerhalb von Gebäuden verbessern. Wie bereits in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (COM/2020/381) und der nachhaltigen Chemikalienstrategie (COM/2020/667) ausgeführt, soll der Einsatz chemischer Pestizide und Antibiotika halbiert werden. Die Chemikalienstrategie hatte bereits die Stärkung des Schutzes der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen (z.B. Kinder, Ältere, Behinderte) gefordert. Die Kommission setzt wie bei der Chemikalienstrategie auf eine Schadstoff-Hierarchie, die die durch saubere Produktionsprozesse der Prävention den Vorrang einräumt. Wo dies noch nicht möglich ist, sollen zumindest der Einsatz von Schadstoffen reduziert und durch einen kontrollierten Einsatz die Gefahr für Mensch und Umwelt reduziert werden. Durch Innovation im Wassermanagement und Recycling sollen schließlich verbliebene Schadstoffe und bereits bestehende Umweltverschmutzung beseitigt werden. In ihrem neuen Aktionsplan Kreislaufwirtschaft (COM(2020)98) hatte die Kommission bereits die Stärkung einer schadstofffreien Kreislaufwirtschaft und Verringerung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten und spezifische Maßnahmen gegen Persistente organische Schadstoffe (POPs) und Perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) angekündigt. Damit einhergehend steht eine Evaluation des EU-Wasser- und Abfallrechts (u.a. Badewasserrichtlinie und kommunale Abwasserrichtlinie) an. Neben einer Ammoniakreduktion bei den Industrieemissionen sowie der Ausweitung der Treibhausgasreduktionsziele auf bislang nicht umfasste Sektoren sind auch Lärmobergrenzen für die Schifffahrt unterhalb der Wasseroberfläche vorgesehen.
Angesichts der bereits in früheren Strategien enthaltenen Vorhabenankündigungen kritisiert der Dachverband der europäischen Umweltverbände, EEB, dem Aktionsplan mangele es an konkreten Maßnahmen zur Schadstofffreiheit.
Das Europäische Parlament hatte sich im Vorfeld in einer Entschließung am 28. April 2021 klar für eine europäische Bodenschutz-Richtlinie und gegen eine reine für Herbst 2021 angekündigte Aktualisierung der EU-Bodenschutzstrategie von 2006 ausgesprochen. Ein Vorschlag der Kommission von 2006 für eine europäische Bodenschutzrichtlinie war 2014 wegen Subsidiaritätsbedenken des Rates gescheitert. Ebenso befürwortet die Entschließung des Parlaments vom 25. März 2021 die Angleichung der EU-Luftreinhaltungsgrenzwerte an die WHO-Normen und sprach sich in einer weiteren Entschließung am 20. Dezember 2020 für die Wiederherstellung der Wasserqualität aus. (TS)