Bei den irischen Parlamentswahlen vom 8. Februar 2020 zeichnet sich eine Überraschung ab. Nach ersten Hochrechnungen kommt die IRA-nahe Sinn Féin-Partei auf rund ein Viertel der Wählerstimmen. Sinn Féin galt lange als politischer Arm der IRA, der irisch-republikanischen Armee, die bis Ende der 1990er Jahre mit Waffengewalt für ein vereinigtes Irland kämpfte. Aufgrund dessen war die Sinn Féin für viele Iren lange unwählbar.
Maßgeblich verantwortlich für den Erfolg der Partei bei den Wahlen ist die seit 2018 amtierende Parteivorsitzende Mary Lou McDonald. Sie strukturierte die Partei um und setzte im Wahlkampf vor allem auf Investitionen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sowie in das Gesundheitswesen, womit sie vor allem bei der jungen Bevölkerung Stimmen gewinnen konnte. Umfragen ergaben, dass für nur ein Prozent der irischen Wähler die Brexit-Verhandlungen eine Rolle gespielt hatten. Regierungschef Leo Varadkar hatte hier einen harten Kurs eingeschlagen. Irland werde alles tun, um den Binnenmarkt und irische Jobs, Wirtschaft sowie den irischen Wohlstand zu sichern.
Eine eindeutige Mehrheit wird aller Voraussicht nach aber keine Partei erzielen können, sodass eine Koalition gebildet werden muss. Eine Koalition mit der Sinn Féin-Partei haben die Vorsitzenden der beiden großen Volksparteien (die konservative Fine Gael und die konservativ-liberale Finna Fáil) allerdings ausgeschlossen.
Mary Lou McDonald spricht sich zudem für eine Volksabstimmung Nordirlands über den Verbleib in Großbritannien aus. Gemäß dem Karfreitagsabkommen von 1998, was ein Ende der Gewalt herbeiführte, ist Nordirland so lange ein Teil Großbritanniens, bis die nordirische Bevölkerung in einer Volksabstimmung sich dagegen ausspricht. Diese ist aber trotz des Brexit und der volkswirtschaftlich guten Situation in Irland nicht in Sicht, auch wenn in Nordirland 46 Prozent für eine Abstimmung über den Verbleib in Großbritannien sind. Ein Austritt aus dem Vereinigten Königreich würde allerdings nicht gleichzeitig einen Beitritt zu Irland bedeuten.
Sollte es allerdings zur einer Regierungsbeteiligung der Sinn Féin kommen, so ist davon auszugehen, dass die Forderung nach einem Referendum über die irische Wiedervereinigung zur Linie der irischen Regierung wird, was sich auch auf die Verhandlungen zwischen Brüssel und Großbritannien über die zukünftigen Beziehungen auswirken wird. (MB)