Kommissionspräsidentin von der Leyen nannte das Abkommen nicht nur „eine wirtschaftliche Chance, sondern eine politische Notwendigkeit“ in einer Zeit zunehmender handelspolitischer Isolation und Fragmentierung. Mit ihm soll eine der größten Freihandelszonen der Welt geschaffen werden, in der Zölle für wichtige Exportindustrien der EU wie Autos, Maschinen, Chemikalien und Pharmazeutika abgeschafft werden. Insgesamt werden durch das Abkommen die Einfuhrzölle auf 91 Prozent der EU-Exporte in die Mercosur-Länder sowie auf 92 Prozent der Mercosur-Exporte in die EU abgeschafft, geht es aus Daten der Europäischen Kommission (KOM) hervor. Die 1999 aufgenommenen Verhandlungen über das EU‑Mercosur-Abkommen führten 2019 zu einer ersten politischen Einigung, deren Ratifizierung allerdings durch die Mitgliedstaaten zurückgehalten wurde. Die Gründe dafür waren anhaltende Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Umweltstandards zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten sowie aufgrund zunehmender Unruhen unter den Landwirten.
Bei beiden Handelspartnern dürfte es sowohl potenzielle Gewinner als auch potenzielle Verlierer geben. Der Wettbewerbsdruck würde trotz weitgehender Harmonisierung der Regeln in verschiedenen Branchen unterschiedlich stark steigen. In Europa sind Automobil-, Maschinenbau- und Chemieindustrie besser aufgestellt als in den Mercosur-Staaten und hätten einen Wettbewerbsvorteil, die Landwirtschaft wäre dafür potenziell eher benachteiligt, da Mercosur-Staaten landwirtschaftliche Güter zu niedrigeren Kosten produzieren. Größte Kritiker sind deshalb der Agrarsektor aber auch Umweltschutzverbände. Deshalb sieht der Vertrag einen bilateralen Schutzmechanismus vor, um auf potenzielle Importschwemmen zu reagieren, die bestimmten Agrarsektoren schaden könnten. Diese vorgesehenen Maßnahmen können auch dann aktiviert werden, wenn die Auswirkungen auf einen einzelnen Mitgliedstaat beschränkt sind. Außerdem ist ein Budget von mindestens einer Mrd. Euro Ausgleichsgelder vorgesehen, falls Schutzmaßnahmen Verzerrungen nicht verhindern können.
Der vereinbarte Text macht das Pariser Klimaschutzabkommen zu einem wesentlichen Bestandteil des Handelsabkommens. Damit wird sichergestellt, dass eine Partei das Abkommen – oder einen Teil davon – aussetzen kann, wenn die andere Partei gegen den internationalen Vertrag verstößt oder beschließt, davon zurückzutreten. Im Einklang mit dem Pariser Abkommen enthält das Handelsabkommen auch eine Verpflichtung, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Nach Angaben der KOM können Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsverpflichtungen durch einen Streitbeilegungsmechanismus durchgesetzt werden.
Nach dem Abschluss der Verhandlungen müssen die Texte für das Abkommen noch juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt werden. Deshalb ist der Vertragstext noch nicht öffentlich zugänglich. Im Anschluss muss die KOM eine Entscheidung darüber treffen, ob das Abkommen als Ganzes oder in zwei Teile gesplittet den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt wird. Die Aufspaltung in zwei Teile hätte den Vorteil, dass die Zustimmungshürden für die Handelserleichterungen dann niedriger wären. Die Handelsfragen sind reine EU-Zuständigkeit („EU only“) und könnten mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten und mit einfacher Mehrheit des Europaparlaments vorläufig in Kraft gesetzt werden. Der politische Teil berührt hingegen auch die Kompetenzen der EU-Staaten und muss deshalb von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden – was oft Jahre dauert. In diesem Stadium ist eine qualifizierte Mehrheit der Länder, die das Abkommen im Rat unterstützen, nicht garantiert. Dazu wären mindestens 15 Staaten nötig, die wiederum mindestens 65 Prozent der europäischen Bevölkerung repräsentieren. Unter den Mitgliedstaaten ist Frankreich der größte Kritiker. Auch Polen steht dem Abkommen ablehnend gegenüber. (UV)
Weitere Informationen auf der Internetseite der Kommission.