Zu dem von der Europäischen Kommission (KOM) im Februar 2022 vorgelegten neuen Rahmen für die Herstellung von Halbleitern, besser bekannt unter dem Namen Chip-Gesetz, mit dem Anreize für Investitionen und verbesserte Produktionskapazitäten gesetzt werden sollen, konnte der Rat eine allgemeine Ausrichtung verabschieden. Diese beinhaltet wesentliche Klarstellungen am Kommissionsvorschlag. So sind insbesondere die Definition von „first-of-a-kind“, die allgemeinen und operationellen Ziele der Initiative sowie die Regelungen zum Europäischen Chip-Infrastruktur-Konsortium, das den Zugang zu EU-Finanzmitteln erleichtern soll, angepasst worden. Im Hinblick auf den Krisenmechanismus sind die Regelungen so überarbeitet worden, dass den Mitgliedstaaten eine größere Rolle zukommt. Der Rat war sich jedoch uneins darüber, wie die verstärkten europäischen Anstrengungen finanziert werden sollen. Deshalb verabschiedete er eine Erklärung, in der seine Unterstützung für das von der KOM vorgeschlagenen Gesamtbudget von 3,3 Mrd. Euro unterstrichen wird. Da dies jedoch eine Kürzung der Gesamtmittel des Programms „Digitales Europa“ um 400 Mio. Euro bedeuten würde, ist dem angenommenen Standpunkt des Rates eine Erklärung beigefügt, in der die KOM aufgefordert wird, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament nach alternativen Lösungen zu suchen, um das Volumen des EU-Programms Digitales Europa beizubehalten. Die verabschiedete allgemeine Ausrichtung bildet die Grundalge für die jetzt anstehenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament (EP).
Die Position des Rates zu den Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Bezug auf die Nachhaltigkeit, dem sogenannten Lieferkettengesetz, wurde mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet, wobei Deutschland den Standpunkt unterstützt hat. Estland sowie die Niederlande haben aus unterschiedlichen Beweggründen allerdings dagegen gestimmt. Der Rat fordert in seinem Beschluss fünf wesentliche Änderungen am Verordnungsvorschlag der KOM vom Februar 2022. Das Konzept der etablierten Geschäftsbeziehungen ist durch einen risikobasierten Ansatz ersetzt worden. Anstatt der Wertschöpfungskette spricht sich der Rat für das Konzept der Aktivitätsketten aus. Dadurch würden europäische Unternehmen nicht mehr für den ihnen nachgelagerten Teil der Wertschöpfungskette, also wenn sie ihre Produkte zur Weiterverarbeitung an Dritte weitergegeben, verantwortlich gehalten. Die Vorschriften zu den Pflichten der Geschäftsführung sind gestrichen worden. Darüber hinaus wünscht der Rat Klarstellungen zur zivilrechtlichen Haftung und einen Ausschluss von Finanzinvestitionen aus dem Geltungsbereich. Dies würde bedeuten, dass Banken nicht für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden könnten, die durch kreditfinanzierte Geschäftstätigkeiten begangen werden. Die Niederlande hätten sich mehr Ambitionen des Rates in Bezug auf die Wertschöpfungskette und die Einbeziehung des Finanzsektors gewünscht, Estland lehnte den Text wegen seiner Bedenken zur zivilrechtlichen Haftung ab. Mit der verabschiedeten allgemeinen Ausrichtung wird dem Ratsvorsitz das Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament erteilt.
Ohne intensive Beratungen wurde die allgemeine Ausrichtung des Rates zum Verordnungsvorschlag über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse verabschiedet. Mit der Verordnung soll ein unmittelbar geltender Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse auf EU-Ebene eingeführt werden, der den bestehenden EU-Schutz für geografische Angaben im Agrarbereich ergänzt. Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag schlägt der Rat vor, den Anwendungsbereich anzupassen, um die Angleichung an das System geografischer Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse sicherzustellen. Zu diesem Zweck wird der Begriff „handwerkliche und industrielle Erzeugnisse“ klarer definiert. Außerdem wünscht sich der Rat Präzisierungen bei Eintragungsverfahren und klarere Regeln zur Definition der Antragsberechtigten. Als weitere Punkte der Sitzung hat der Rat Schlussfolgerungen zu einer Europäischen Agenda für den Tourismus 2030 angenommen, die einen mehrjährigen EU-Arbeitsplan umfasst. Der Arbeitsplan enthält freiwillige Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten, der Kommission und allen in diesem Bereich Tätigen Handlungsfelder aufzuzeigen, wie der Tourismussektor nachhaltiger ausgerichtet und stärker digitalisiert werden kann. (UV)